
»Was macht dir Angst?«
Wir sind einige Studierende, Promovierende und Angestellte an der Universität, die sich in den letzten Monaten getroffen haben, um miteinander über ihre politische und soziale Situation zu diskutieren und Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Unter dem Namen Kritische Intervention (KI) wollen wir Euch zu einer Untersuchung unserer Ängste einladen und aufrufen.
Worum geht es? Angst macht Politik. Wir erleben permanent und verstärkt in der jüngsten Vergangenheit, wie die Interpretation von Ängsten eine große Rolle spielt, um bestimmte politische Maßnahmen zu rechtfertigen. Das fängt bei den vielbeschworenen »Ängsten und Sorgen« an, die zu Rechtfertigung von rechten Migrationspolitiken und Rassismus aufgerufen werden, hört aber keineswegs dort auf. Auch an der Goethe-Universität haben wir gelernt, ständig mit Interpretationen von Angst umzugehen. So kam es in den letzten zwei Jahren zu vermehrter Polizeipräsenz auf dem Campus, anlässlich der Hörsaalbesetzung im Dezember 2022 oder der Demonstration nach der polizeilichen Räumung der besetzten Dondorf-Druckerei 2023 und zuletzt rund um Protestaktionen und -camps bezüglich des Kriegs in Israel/Palästina. Diese vermehrte Polizeipräsenz hat ein Gegenstück: Die Angst. Sie wird aufgerufen und beschworen, um die Notwendigkeit polizeilichen Schutzes zu begründen, andere wiederum reagieren auf die Präsenz der Polizei mit Angst.
Wir wollen uns unseren Ängsten annehmen. Welche Interpretationsrahmen bestimmen sie und wie können wir gemeinsam daran arbeiten, diese Rahmungen zu diskutieren und zu verändern? Wir glauben, dass die jeweils besondere Ausformung unserer Ängste, sich sicherlich darin unterscheidet, auf welchen gesellschaftlichen Plätzen wir uns jeweils wiederfinden, woran wir gewöhnt sind etc. Jedoch wollen wir keine Ängste unterstellen und darauf aufbauend Handlungen rechtfertigen, sondern zunächst einmal unsere Ängste und unsere Interpretationen dieser Ängste untersuchen. Wir laden Euch herzlich ein, bei dieser Untersuchung mitzumachen.
Dafür haben wir einige Fragen, die wir uns stellen, hier aufgeschrieben. Ihre Beantwortung, so hoffen wir, kann eine Grundlage sein, um eine Diskussion über unsere Ängste zu eröffnen und so an der Veränderung der bestehenden Interpretationsrahmen zu arbeiten. Denn wir glauben, dass Angst lähmend ist, davon aber nicht diejenigen profitieren, die die Ängste haben, sondern all jene Kräfte, die mit ihr Politik machen. Wenn wir anders über unsere Ängste sprechen, können wir dem vielleicht etwas entgegensetzen. Deshalb ist unsere Untersuchung kein Forschungsprojekt, sondern eine Einladung zur gemeinsamen Untersuchung. Wir würden gerne alle von Euch, die Lust haben unsere Fragen zu beantworten, auf dieser Grundlage zu einer Versammlung einladen, auf der wir gemeinsam unsere Antworten und weitere Fragen diskutieren können.
Wir freuen uns, wenn ihr mitmacht!
KI
- Wovor hast du (in deinem Alltag) auf dem Campus Angst? Welche konkreten Situationen sind das? Bemerkst du eine Veränderung in den letzten Monaten?
- Was hältst du von der zunehmenden Polizeipräsenz auf dem Campus? Macht dir die Polizei auf dem Campus Angst? Wenn ja, wann und wie?
- Was hältst du von den Protesten auf dem Campus, wegen derer die Polizei auf dem Campus war (Hörsaalbesetzung 2022, Demonstration wegen der Besetzung der Dondorf-Druckerei 2023, Palästina-Camp 2024 usw.)? Machen dir die Proteste Angst?
- Nimmst du oder erfährst du eine Zunahme von Rassismus, Antisemitismus und/oder Sexismus auf dem Campus? Wenn ja, in welchen Situationen? Und trägt es deiner Angst auf dem Campus bei?
- Verspricht dir die Polizei auf dem Campus Sicherheit? Wenn ja, wann und wie?
- Die Hausordnung der Goethe-Universität wurde am 19. Mai geändert. In der neuen Hausordnung heißt es: »Schwerwiegende oder wiederholte nicht nur geringfügige Verstöße gegen die Hausordnung können gem. § 65 Abs. 3 S. 3 HessHG zur Exmatrikulation führen.« Versprichst du dir Sicherheit davon, dass Kommiliton*innen exmatrikuliert werden können, oder siehst du es als eine Bedrohung (für dich, für Kommiliton*innen oder die Universität im Allgemeinen)?
- Viele Hochschulen haben eine Zivilklausel, die Forschung für militärische Zwecke verbietet, auch die Goethe-Universität. Doch nun wird gefordert, diese abzuschaffen. Was lösen solche Forderungen in dir aus?
- Was macht dir – persönlich oder allgemein-gesellschaftlich – Angst (ökonomische Situation, Rechtsruck usw.)? Wie würdest du das Verhältnis dieser Ängste zu den Ängsten, die sich konkret auf die Universität beziehen, einordnen? Stehen sie in einem Verhältnis und, wenn ja, wie?
- Was wünschst du dir für eine Universität?