Der holprige Weg zur Professur — ein Erfolgsrezept
Professor*in sein. Hört sich gut an. Warum also nicht? Man muss ja auch nicht viel machen. Man liest einfach eine PowerPoint-Präsentation vor, die man vorher den oder die Hiwi hat anfertigen lassen. Bei sämtlichen Rückfragen verweist man auf ebenjenen Hiwi. Kann doch jede*r, oder? Man muss ja nur lesen können. Die überraschende Antwort ist »Nein«.
Wenn man sich mal ernsthaft damit auseinandersetzt, wie jemand Professor*in wird, merkt man, dass es gar nicht so einfach ist, wie es aussieht. Der Professor*innenberuf ist nämlich, so ganz entgegen der Intuition, an der Spitze der akademischen Karriereleiter. Und um dort anzukommen, braucht man verbittertes Durchhaltevermögen, den ein oder anderen Geniestreich und eine ordentliche Portion Glück. Das ist alles? Magst du jetzt vielleicht denken. Wenn es sonst nichts ist, dann kann das ja jeder Dreijährige mit links. Leider ist das jedoch noch nicht alles. Ich habe schon in vielen Vorlesungen von noch mehr Professor*innen gesessen, hatte also bereits ausführlichste Erfahrungen mit ihrem Berufsstand. Ja, ich glaube es wäre nicht übertrieben zu behaupten, dass ich unabsichtlich eine Art ethnographische Studie über deren Dasein durchgeführt habe. Ich habe Folgendes festgestellt: Um ein*e erfolgreiche*r Professor*in zu sein, reicht rein menschliche Qualifikation nicht aus. Es scheint, als wäre es für den Job erforderlich – zumindest ein bisschen – sonderbar zu sein.
Ein noch relativ harmloses Beispiel hierfür sind die betont unlustigen Professor*innen. Sie machen Witze, die ungefähr so viel Humor haben wie der Instagram-Account von Olaf Scholz. Anders als Olaf Scholz jedoch lassen sie sich hiervon nicht im Geringsten abschrecken. Im Gegenteil, sie nutzen jede noch so schlechte Gelegenheit, um einen unpassenden Witz zu machen. Von den Studierenden wird dieser Versuch dann meist mit Totenstille bedacht.
Einen Grad extremer sind die chronischen Publizist*innen. Sie haben an irgendeinem Punkt ihrer Karriere ein Buch veröffentlicht. Egal wie überholt dieses Buch mittlerweile ist und völlig unabhängig von seiner tatsächlichen Qualität, sind diese Professor*innen grundsätzlich der Auffassung, dass es das Beste seiner Art ist und Pflichtliteratur für die gesamte Bevölkerung werden sollte. Das können sie praktisch leider nicht umsetzen, können es aber sehr wohl zum zentralen Element all ihrer Kurse machen. Bei jeder Vorlesung wird dann erneut betont, wie gut doch die Texte sind, wie einzigartig die Grafiken und wie schlecht die Bücher anderer Autor*innen. Dass, wenn Studierende die Bücher kaufen, sie auch direkt die privaten Taschen der Professor*innen füllen, ist natürlich ein völlig unbeabsichtigter, wenn auch positiver Nebeneffekt.
Mit Abstand am notorischsten sind jedoch die Selbstdarsteller*innen. In ihren Vorlesungen geht es weniger um Inhalte, sondern vielmehr um ihren persönlichen Werdegang. Es ist zwar, wie bereits erwähnt, Einstellungskriterium für jede*n Professor*in, schon einmal irgendetwas Intelligentes hervorgebracht zu haben, aber manchen ist dies etwas zu Kopf gestiegen. Sie sind meistens sehr gut im Präsentieren. Es hat allerdings den einzigen Zweck, die Zuhörer*innen in die Lage zu versetzen, die außerordentlichen Forschungsergebnisse besser bewundern zu können. Ich hatte erst kürzlich die Gelegenheit, so jemandem bei der Arbeit zuzuschauen. Im Laufe der Vorlesung habe ich Folgendes über ihn erfahren:
- Er hat schon mal irgendetwas in der WHO vorgeschlagen (bei der detaillierten Ausführung bin ich leider abgeschweift).
- Er hatte schon mal eine Diskussion mit dem Präsidenten der deutschen Gesellschaft für Ärztinnen und Ärzte (oder einer anderen Organisation, auf jeden Fall mit einem Präsidenten).
- Er geht heute Abend zu einer Cocktailparty, wo »wichtige Leute« anwesend sind.
- »Offensichtlich« ist anscheinend sein Lieblingswort. Offensichtlicherweise benutzt er dieses Wort am liebsten, wenn etwas so ganz und gar nicht offensichtlich ist.
- Alle seine PhD-Studierenden haben geniale Studien durchgeführt. Der offensichtliche Grund hierfür sind jedoch seine noch genialeren Ideen.
Das Beeindruckendste an seinen Ausführungen ist, wie fließend er sie in seine Vorlesung einbringt. Ein rhetorisches Meisterwerk, wie er es selbst bezeichnen würde. Bei genauerem Hinschauen hat er das aber nur geschafft, indem er sich selbst zum Thema der Vorlesung gemacht hat. Das eigentliche Thema wurde nie erwähnt. Als er dann am Ende doch noch auf die tatsächlich relevanten Folien stieß, wirkte er überrascht. Er sammelte sich aber schnell und betonte, wie wichtig dieses Thema sei. Uns hat er dann den Auftrag gegeben, uns zuhause darüber zu informieren. Wir schreiben ja schließlich nächsten Montag einen Test. Und ob unser mittlerweile reichhaltiges Wissen über sein Privatleben nützlich sein wird, ist fraglich.
Es wird offensichtlich, dass eine gewisse Schrulligkeit zu dem Beruf gehört. Je seltsamer desto besser, so scheint es. Wenn du also wirklich Professor*in werden willst, schlage ich dir vor, so früh wie möglich an deiner persönlichen Eigentümlichkeit zu arbeiten. Für Geniestreiche, Glück und Durchhaltevermögen ist später immer noch Zeit, aber einen wahrhaftig bizarren Charakter muss man sich schon früh antrainieren.