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Auch im Sommersemester 2025 findet wieder studentisch-organisierte Lehre am Fachbereich 03 Gesellschaftswissenschaften statt. Die Seminare sind Teil der Initiative von Studierenden, die eine Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie wieder einführen möchte.

Bereits im akademischen Jahr 2023/24 konnten zwei herausragende Persönlichkeiten für Seminare gewonnen werden. Alex Demirović und Birgit Sauer gaben jeweils drei Seminar zur (feministisch-)materialistischen Staatstheorie, neuere Diskussionen des Marx’schen Werks, zum Kapitalozän und Ökosozialismus sowie generell zur kritischen Geschlechterforschung. Außerdem fand ein Forschungsseminar zum Frankfurter Bahnhofsviertel statt, dessen Ergebnisse im Frühjahr 2026 in einem Sammelband publiziert werden sollen. Dokumentiert wurde das akademische Jahr 2023/24 in der Broschüre »Marx an die Uni! Widersprüche studentisch-organisierter Lehre«. 

Im vergangenen Wintersemester 2024/25 gab Aaron Tauss ein Seminar zu politischer Ökonomie in Lateinamerika und Paul Schierle zu kritischen Theorien der Digitalisierung. Im kommenden Sommersemester stehen vier Seminare an, die sich kritisch mit (Neo-)Kolonialismus, Imperialismus und Grenzregimen auseinandersetzen und theoretische Bezüge empirischer Geschlechterforschung ergründen. 

Die aktuelle politische Weltlage, die Angriffe auf die Wissensschafsfreiheit global, aber auch in der Bundesrepublik, und die aktuellen Debatten um Kürzungen an deutschen Universitäten verdeutlichen abermals, wie wichtig und prekär zugleich, kritische Wissensproduktion ist. 

Wir freuen uns also, wenn möglichst viele Studierende am Fachbereich, aber auch darüber hinaus, die Möglichkeiten, die die Seminare bieten, nutzen – sie können der Frankfurter neoliberalen Eliteuniversität, die lediglich organisierte Halbbildung produziert, wahrscheinlich in ihrer Gänze nichts entgegensetzen. Allerdings können sie Multiplikator*innen kritischer Wissensproduktion werden, indem die Seminarteilnehmer*innen selbst kritische Theoretiker*innen werden, die das Projekt einer offenen, kritisch-materialistischen Theorie der kapitalistischen Gesellschaft bewahren und weiterentwickeln. 

Enthalten ist im besten Falle also eine Tendenz, die über das krisenhafte Bestehende der Frankfurter Universität hinausweist, und im Kleinen vorwegnimmt, wie eine andere Universität aussehen könnte.

Im Herzen »Eurafrikas«? Kolonialismus, Neokolonialismus und die Kultur des Imperialismus

Alexander Kern

Die Veranstaltung behandelt die kolonial und neokolonial reproduzierte Ungleichheit zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Kontinent. Dabei setzt sie den Schwerpunkt auf die kulturelle und ideologische Konstruktion »Afrikas« und »Europas« in ihrer Bezogenheit aufeinander. Gleichzeitig soll die Ideologieproduktion jedoch im Kontext der jeweils vorherrschenden ökonomischen Konstellationen verstanden werden. Die Auseinandersetzung erfolgt anhand einer kritischen Lektüre europäischer (Joseph Conrad, Hannah Arendt) sowie anti-kolonialer (Walter Rodney, Frantz Fanon, Samir Amin) Autor*innen.

Kritische Geschlechterforschung – Theoretische Bezüge und empirische Studien

Christina Engelmann

In dem Seminar werden wir zunächst Theoriearbeiten der frühen Kritischen Theorie auf ihre geschlechtertheoretischen Implikationen hin befragen und uns feministische Studien, die im Umfeld des IfS entstanden sind, näher ansehen – u.a. von Käthe Leichter und die Studien zur Frauenarbeit, die in den 1970er und 1980er Jahren am Institut angesiedelt waren. Daraufhin werden wir uns mit feministischen Aneignungen, Kritiken und Weiterentwicklungen der Kritischen Theorie in den Arbeiten u.a. von Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp auseinandersetzen. Mit ihren Analysen zum Begriff der Geschlechterverhältnisse und dem Konzept der doppelten Vergesellschaftung knüpfen sie einerseits an die Einsicht der Kritischen Theorie an und gehen zugleich über die frühen Analysen hinaus, indem sie die verschiedenen Mechanismen sozialer Differenzierung (u.a. Geschlecht, Race, Klasse) in ihrer Verschränkung mit gesellschaftlichen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen herausstellen. Abschließend werden wir aktuelle feministische Gegenwartsanalysen diskutieren.

Europäisches Grenzregime – historische und aktuelle Entwicklungen 

Hannah Sommer

Das Seminar ist eine kritische Einführung in das europäische Grenzregime. Das Seminar beginnt mit einer interdisziplinären Einführung in die kritische Migrations- und Grenzregimeforschung. Demnach wird Migration nicht als Forschungsobjekt betrachtet, sondern als eine Perspektive durch die globalen sozialen Ungleichheiten in den Blick genommen werden können. Die im Jahr 2024 beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird als Beispiel für eine kritische Bewertung der rechtlichen, politischen und materiellen Entwicklungen des europäischen Grenzregimes diskutiert. Materialien, die im Seminar behandelt werden, reichen von wissenschaftlichen Artikeln über legislative Vorschläge der EU-Kommission bis hin zu Podcasts und Filmen. Die Lernziele des Seminars sind u.a. folgende: Erforschung der historischen, politischen, soziologischen und geografischen Dimensionen des europäischen Grenzregimes; Untersuchung der Beziehungen zwischen Grenze(n) als auch Grenzpraktiken, Gewalt und politischen Kämpfen; Verständnis der kolonialen Dimensionen in der heutigen EU-Migrationspolitik, Verständnis der Methoden und Ansätze, die in der interdisziplinären Grenzregimeanalyse verwendet werden.

Bordering Political Economy 

Aïda Roumer

Borders carry both functional and symbolic power, in structuring economic and political processes, regulating movement and exchange. They constitute mechanisms and technologies of inclusion and exlusion and are sites where humanness is negotiated and reclaimed. In this seminar we will address the practical and methodological implications of centering borders and the process of bordering in political economy. Students are required to reflect critically on what constitutes a border, by examining the political economies of borders and borderlands, and by applying this knowledge to case studies of their choice.