
Selbstporträt mit Eiern
Platons Auffassung nach produzieren unsere Augen eine Substanz, welche als Strahl unsere Augen verlässt und die Welt abtastet, um ihr Bild zu produzieren.
Sehen ist ein Tasten, Berühren und Hervorbringen des Gesehenen. Es passiert nicht selten, dass Sie angeblickt wird und sich unmittelbar so fühlt, als sei sie gegen ihren Willen berührt worden; als sei dort wirklich ein Strahl aus den Augen des Betrachters entlassen worden, um sie anzutasten. Sie versucht dann, den Blick der Person zu fangen und ihren Strahl mit dem eigenen Sehstrahl zu zerstören. Diese Form der Interaktion dauert meist weniger als zehn Sekunden an und wird als Blickfick-Duell bezeichnet, ganz im Sinne des lateinischen Wortstammes »figere«, also »anheften, durchbohren, kreuzigen«. Das Fotografieren beinhaltet maskulinistische Aspekte, wie etwa die Objektivform, der Objektivvergleich, das »Schießen« von Bildern oder das Abtasten des Sehfeldes nach etwas abfotografierbarem. Das fotografierte Subjekt tarnt sich mimetisch, um erkannt oder auch nicht erkannt zu werden, als Sarah Lucas. Es teilt als offenes Subjekt die Sicht aus »Self portrait with fried eggs« aus dem Jahr 1996, welches sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dass das fotografierte Subjekt sich weigert, sehen und fotografieren dem Maskulinismus zu überlassen. Unterschiede zwischen den beiden Darstellungen können abgesehen von Materialverwendung, Personal und Ausstellungskontext auch auf ikonografischer Ebene ausgemacht werden. Die Eier sind vermutlich als Symbol der Fruchtbarkeit zu deuten, während die klitorale Halskette in den meisten Literaturquellen als antirömisches Motiv bezeichnet wird.
