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Fallende Münzen

Die Verdrängung kritischer Gesellschaftstheorie an der ökonomisierten Universität

Die Ökonomisierung der Hochschulen hat nicht nur die Strukturen und Prioritäten der akademischen Bildung verändert, sondern auch die kritische und insbesondere die marxistische Theorie an den Rand gedrängt. In diesem kleinen Beitrag werfen wir einen Blick auf die Entwicklungen in Frankfurt – und darauf, was wir gemeinsam tun können, um eine Zukunft zu gestalten, indem wir die Universität zu einem Ort der Kritik und des Widerstands machen. Ein Werkstattbericht aus dem Arbeitskreis kritische Gesellschaftstheorie

(1) Status Quo: Die Goethe Uni, Frankfurter Tradition & die Notwendigkeit kritischer Lehre

Im Kontext von Unterfinanzierung, Umstrukturierung und Ausrichtung der Bildung entlang von marktwirtschaftlichen Interessen werden verschiedenste Ansätze kritischer, marxistischer Gesellschaftstheorie, die bestehende Herrschaftsverhältnisse explizit kritisieren, systematisch marginalisiert und drohen, mehr und mehr aus dem akademischen Diskurs verdrängt zu werden. Das trifft sowohl auf die ältere Kritische Theorie als auch auf kritische Gesellschaftstheorien im weiteren Sinne zu. Dies gilt insbesondere für Ansätze, die eng mit der marxistischen Tradition verbunden sind. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie fatal: Sie reichen von der neoliberalen Umstrukturierung der Hochschulen im Zuge der Bologna-Reform (das heißt zunehmende Marktorientierung, Wettbewerb, Ausschluss und Leistungsdruck) über die Technokratisierung und Entpolitisierung von Wissenschaft und Hochschule bis hin zur Abhängigkeit von Drittmitteln. Nicht zuletzt spielt natürlich auch die gezielte politische und wissenschaftliche Diffamierung derjenigen eine Rolle, die kein Interesse daran haben, an den gesellschaftlichen Verhältnissen – am kapitalistischen Status quo – etwas zu ändern; durch diejenigen die kein Interesse daran haben, etwas von ihrer Macht im Hinblick auf eine mögliche gerechtere Gesellschaft zu verlieren. Und die kein Interesse daran haben, dass kritisches Wissen handlungsrelevant werden könnte. Die Beschaffenheit des bürgerlichen Wissenschaftsbetriebs tut es ihnen gleich. 

Diese verschiedenen Gründe für diese Verdrängung sind eng miteinander verknüpft; gerade die Unterfinanzierung zeigt sich im Hochschulbereich derzeit wieder in aller Deutlichkeit: Insgesamt führt der Nachtragshaushalt 2024 von CDU und SPD in Hessen zu Kürzungen bei den Hessischen Hochschulen um 34 Millionen Euro (Gerritz 2024). An Wissenschaft und Bildung wird massiv gespart, eine absolut katastrophale Situation für die Hochschulen. In dem immer enger werdenden Handlungsspielraum findet dann auch innerhalb der Hochschulen ein Kampf um die Mittel und eine politisch motivierte Verteilung statt: Denn während an der Goethe Uni beispielsweise dem FB10, insbesondere dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft so einschlagend Gelder gekürzt werden, dass bis zu vier Professuren wegfallen könnten, und damit ganze Studiengänge vor dem Aus stehen, werden parallel für das neue »Center for Critical Computational Studies« mindestens 12 neue Professuren bis Ende 2025 geplant und vom Land Hessen finanziert. Auf Bundesebene wiederum wird der Haushalt in Bereichen wie Bildung, Soziales und Gesundheit gekürzt, während die Rüstungsindustrie finanziell kräftig aufgestockt wird. Es zeigt sich: das Geld ist da, es ist vielmehr eine Frage des politischen Willens. Der Mangel an öffentlichen Geldern kann dann im Zweifel nur über private Förderung und Stiftungsmittel aufgestockt werden, die einer weiteren Orientierung der Forschung an wirtschaftlichen Interessen Vorschub leistet. Die dringende Forderung, die sich aus diesen Missständen ergibt, ist der enorme Ausbau und die massive staatliche Investition in das Bildungssystem, von der Schule bis zur Hochschule. Die Ökonomisierung drückt sich währenddessen in vielen verschiedenen Mechanismen aus, mit gravierenden Folgen für Forschung, Lehre und Bildung – wer sich näher für eine Kritik der neoliberalen Universität interessiert, dem sei der kürzlich erschienene Sammelband ›Organisierte Halbbildung‹ empfohlen, an dem auch viele Frankfurter Studierende mitgewirkt haben. 

Diese neoliberalen Dynamiken prägen die deutsche Hochschullandschaft und stechen gerade in Frankfurt, wo aufgrund der Tradition der Kritischen Theorie viele Menschen ihr Studium am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften beginnen, besonders hervor. Hier kann man immer wieder feststellen: Es gibt zwar gute, wahnsinnig spannende Forschung, die in eben jener kritischen Tradition steht, aber sie steht in keinem Verhältnis zu dem, was eigentlich nötig wäre, um gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen und den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Sie steht auch in keinem Verhältnis zu dem, was sich Studierende von einem Studium der Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt erhoffen, und zu dem, was einst der revolutionäre Anspruch dieser Forschung war. Im vergangenen Jahr äußerte sich Alex Demirović in einem Interview zum Stand der Kritischen Theorie an der GU: »Die Universität hat einen Adorno-Platz, die Horkheimer-Straße und es gibt das Institut für Sozialforschung. Also ist es sinnvoll, diese Tradition zu pflegen – aber natürlich nicht nur museal” (Tabel et al 2023). 

Dieses Bestreben, nicht nur vereinzelt museale Aneignung zu betreiben, sondern sich mit den drängenden Problemen unserer Zeit auseinanderzusetzen – mit den Entwicklungen kapitalistischer Akkumulationsregime, der Klimakrise, den Kriegen, den Verstrickungen von Herrschaft, Ausbeutung und Diskriminierung – ist auch das Anliegen vieler Studierender, mit denen wir in den letzten Jahren gemeinsam gelernt, diskutiert, protestiert und studiert haben. Und es ist gerade dieses Unterfangen, das kritische und marxistische Gesellschaftstheorien auszeichnet und gesellschaftlich so relevant macht. Auf der Suche nach Erklärungen über die Beschaffenheit der Welt und der zeitgenössischen Krisen helfen uns marxistische und kritische Gesellschaftstheorien, das Bestehende in seiner historischen Gewordenheit, seiner Veränderbarkeit und Fehlbarkeit zu benennen. Sie zeigen uns auch, dass es besser werden kann und dass Ausbeutung, Naturbeherrschung und Unterdrückung nicht alternativlos sind. Sie helfen uns, bessere Zukünfte greifbar zu machen. Dabei reflektieren sie laufend ihre eigene Verstrickung in eben jene Herrschaftszusammenhänge: Das Bewusstsein, dass die eigene Position und das eigene Denken immer auch von Herrschaftsformen geprägt sind, gegen die im besten Fall gearbeitet wird, ist zentral, um kritische Wissenschaft als einen Prozess zu verstehen, dessen Aufgabe es ist, herrschaftlich geprägte Verhältnisse immer wieder aufzubrechen und Möglichkeiten einer Emanzipation aller zu entwerfen. Diese eigene Situiertheit anzuerkennen bedeutet für die Theoriebildung auch, Bildungsinstitutionen wie die Universität als Orte kapitalistischer (und kolonialer, patriarchaler etc.) Wissensproduktion und -vermittlung anzuerkennen, als Orte, die hierarchisch organisiert sind und Herrschaftsmechanismen reproduzieren und aufrechterhalten (Demirović 2010). An diesem Ort für eine kritische Auseinandersetzung zu streiten bedeutet, dort anzusetzen, wo die gegenwärtigen Verhältnisse ideologisch und technologisch fortgeschrieben und das Wissen des fossilen Kapitalismus (re-)produziert wird.

Gleichzeitig und ganz praktisch sieht die Zukunft in Deutschland für emanzipatorische und selbst für schlicht demokratische Bildung ziemlich düster aus. Die aktuellen Kürzungen im Bildungssektor könnten nur ein Vorgeschmack von dem sein, was uns an Hochschulen und in anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen erwartet, wenn sich die AfD in Zukunft durchsetzt und die CDU ihre vermeintliche »Brandmauer« einreißt. Bereits in den letzten Monaten und Jahren sind im Zuge eines gesellschaftlichen Rechtsrucks auch an den Hochschulen zunehmend autoritäre Zuspitzungen und Repressionen zu beobachten. Von Polizeigewalt gegen studentische Proteste über Verbote von Veranstaltungen, versuchte und tatsächliche Beschränkungen der Wissenschaftsfreiheit bis hin zu Debatten über politische Exmatrikulationen – widerständiges Denken und Studieren, scheint unerwünscht zu sein. Auch die autoritären Entwicklungen, die wir auch an der GU in Reaktion auf verschiedene Proteste in den letzten Monaten beobachten konnten, könnten unter einer rechtsextremen Regierung(sbeteiligung) noch weitreichende Auswirkungen haben und sich drastisch verschärfen. Die Förderung von Studierenden die »einen kompromisslosen Willen zur Mitarbeit an einer besseren Welt« (Horkheimer 1953) entwickeln, tritt somit nicht nur hinter dem Ziel der Arbeitsmarkttauglichkeit, sondern auch hinter der Angst der Unileitung vor Kritik, Konflikt und vermeintlicher Unordnung zurück. Politisch aktive Studierende, die im Zweifel den Campus als politischen und wissenschaftlichen Raum aktiv mitgestalten wollen, sollen also lieber eingeschüchtert werden und nicht noch, überspitzt formuliert, mit kritischer Lehre darin bestärkt werden, dass in dieser Gesellschaft und an der GU vieles ziemlich schiefläuft. Gerade unter diesen Gesichtspunkten ist der Erhalt kritischer Professuren, Lehrstühle und demokratischer Strukturen an der Universität ein bedeutendes Ziel. Gleichzeitig ist es, aus denselben Gründen, wichtig, dem gegenwärtigen, auf Leistung, Ausgrenzung und Abwertung basierenden Hochschulsystem, eine solidarische und emanzipatorische wissenschaftliche Praxis entgegenzusetzen, sowohl im Inhalt als auch der Form nach. Dies muss an vielen Stellen geschehen, auf eine davon soll im Folgenden näher eingegangen werden.

(2) Die Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie

An der Goethe-Universität bestand von 2013 bis 2020 die Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie. Die Gastprofessur wurde jeweils für ein akademisches Jahr vergeben und sollte offiziell die »historischen Dimensionen und aktuellen Perspektiven kritischer Gesellschaftstheorie in der Tradition der Frankfurter Schule« vermitteln (Goethe Universität[GG1] ). Altaira Caldarella, die damals studentische Hilfskraft für diese Gastprofessur war, berichtete uns beispielsweise von Veranstaltungen bei Daniel Loick bei denen um die 400 Studierende teilnahmen, »die trotz Platzmangel, Hitze, Lautstärke und einer Menge Lesestoff regelmäßig in den überfüllten Saal strömten, um sich gemeinsam einen Zugang zur kritischen Theorie zu erarbeiten« (Tabel et al 2023: 9). In der Praxis waren die Seminare darüber hinaus ein Ort der Begegnung und Erstpolitisierung, in dem Studierende sich gemeinsam ein Verständnis der gesellschaftlichen Umstände erarbeiteten und währenddessen und um dieses Anliegen herum langfristige soziale, politische und akademische Beziehungen knüpfen: »Außerhalb der Vorlesung etablierten sich schnell zahlreiche Lesekreise zur Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung. Wir hatten das Bedürfnis, uns gegenseitig zu einem Verständnis der uns umgebenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu verhelfen, um sie mitgestalten und verändern zu können« (Tabel et al 2023: 10).

Die Finanzierung dieser Lehre war jedoch von Anfang an beschränkt, und als sie auslief, wurden inmitten des pandemischen Alltags anscheinend trotz des großen studentischen Interesses keine (oder keine ausreichenden) Bemühungen von Seiten der Universität unternommen, sie zu verlängern. Damit verschwand eine Gastprofessur, die, wie Altaira Caldarella beschrieb, »in Frankfurt den Lehrbetrieb sowohl am Laufen hielt als auch mit ihrer bloßen Präsenz in Frage stellte« und zudem Räume entstehen ließ, in denen »man das Gefühl hatte, plötzlich an der Uni Luft zum Atmen gefunden zu haben« (ebd.). Die Streichung dieser Lehrangebote löst bei uns Unverständnis und Unmut aus, überrascht aber leider nicht mehr, steht sie doch exemplarisch für die jüngsten Entwicklungen innerhalb der Hochschullandschaft und die wirtschaftsnahe Ausrichtung der akademischen Bildung.

(3) Studentische Initiative: Einsatz für die Wiedereinführung der Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie

Die Initiative zur Wiedereinführung der Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie entstand schließlich im Sommer 2022, als einerseits die zentralen QSL-Mittel ausgeschrieben und andererseits die jährliche Ausschreibung der Gastprofessur in Gießen veröffentlicht wurde. Es gründete sich der studentische Arbeitskreis kritische Gesellschaftstheorie (AkkG). Im Hinblick auf eine mögliche Institutionalisierung versuchen wir als AkkG mittelfristig, kritische junge Wissenschaftler:innen, die mit ihrer Arbeit in ganz verschiedener Hinsicht Leerstellen füllen oder randständige Positionen besetzen, für Lehraufträge nach Frankfurt zu holen. In den letzten beiden Jahren haben wir dafür die zentralen QSL-Mittel genutzt: Diese werden zweimal im Jahr ausgeschrieben und ermöglichen es grundsätzlich allen Studierenden, Mittel für studentische Projekte zu beantragen. Die für die Vergabe zuständige QSL-Kommission ist (als einziges Gremium der GU) paritätisch besetzt, das heißt 50 Prozent der Kommission besteht aus Studierenden. Das ist natürlich ganz praktisch. Einen kleinen Erfahrungsbericht und eine Anleitung zur Beantragung von QSL-Mitteln sowie viele weitere spannende Beiträge zur Entwicklung kritischer und marxistischer Theorie an der Universität finden sich in der online verfügbaren Broschüre »Marx an die Uni« (Tabel et al 2023).

Der Kampf durch die Antrags- und Fördermittelbürokratie hat sich gelohnt. Für das akademische Jahr 2023/24 wurden 21.750,00 EUR für eine ›Goethe Teaching Professorship’ (GTP) bewilligt, die Alex Demirović und Birgit Sauer für jeweils ein Semester mit je drei Veranstaltungen übernommen haben. Zusätzlich wurde ein interdisziplinäres Forschungsseminar zum Frankfurter Bahnhofsviertel bewilligt und von Tim Herbold im Sommersemester 2024 durchgeführt. Auch für das akademische Jahr 2024/2025 wurden kürzlich sechs ›Lehraufträge für kritische Gesellschaftstheorie‹ über zentrale QSL-Mittel eingeworben. Im Wintersemester 24/25 werden Aaron Tauss und Paul Schierle zwei dieser Lehraufträge übernehmen und die beiden Seminare »Internationale Politische Ökonomie: Debatten im Globalen Süden« und »Kritische Theorien der digitalen Konstellation« anbieten. Seminarbeschreibungen sind im Folgenden nachzulesen. Im Sommersemester 2025 werden vier weitere spannende Seminare folgen. 

Dass diese Seminare stattfinden konnten und können, ist erstmal ein großer Erfolg! Mit den im vergangenen Studienjahr durchgeführten Seminaren – beispielsweise zu ›Aktuellen Forschungen und Kontroversen um Marx’, ›Aspekte der materialistischen Demokratie- und Staatstheorie’ oder ›Autoritäre Rechte, Geschlecht und weiße maskulinistische Identitätspolitik’ – wurden am Fachbereich Orte geschaffen, um sich über wichtige theoretische Grundlagen, aktuelle gesellschaftliche Problemlagen und neue wie alte Ideen auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch hier zeigten der große Andrang der Studierenden und die spannenden, kontroversen und fruchtbaren Debatten das große Interesse an der Auseinandersetzung mit kritischer und marxistischer Gesellschaftstheorie.

Schließlich bleibt es jedoch dabei, dass die Einrichtung der diesjährigen Lehraufträge nur ein Zwischenziel sein kann, genauso wie die zuvor durchgesetzte Goethe Teaching Professorship: Die langfristige Etablierung einer Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie bleibt das Ziel. Die Institutionalisierung von kritischer Lehre an der Universität scheint uns demnach der sinnvollste Weg zu sein, um die Finanzierung jener Lehraufträge dauerhaft zu sichern, die eine kritische, marxistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse ermöglichen und den Studierenden neue oder verdrängte Positionen zugänglich machen. Zudem bedeutet das nun jährliche Ringen um die Lehraufträge, für die offensichtlicher Bedarf und Interesse besteht, für Studierende und potenzielle Lehrende eine extrem kurzfristige Planung, verbunden mit entsprechendem Zeitdruck und Unsicherheit.  Keine gute Ausgangssituation für die Entfaltung einer kritischen Wissensproduktion und -vermittlung, die eigentlich das Kerninteresse der Goethe-Universität sein sollte. 

(4) Blick nach vorn: Zukunft wird gemacht

Die jährlichen Lehraufträge bleiben also eine mittelfristige Strategie, da auf diesem Weg keine langfristige, strukturelle Veränderung der Situation erreicht werden kann, auch wenn es durchaus sinnvoll ist, die finanziellen Ressourcen der Hochschule für studentische Lehrkonzepte und emanzipatorische Projekte zu nutzen. Statt sich jedoch in endlosen Appellen an die Universitätsleitung, den Regierungs- oder Herrschaftsapparat zu wenden, gilt es, als Studierende selbst aktiv zu werden, sich zu organisieren und kollektiv Druck aufzubauen. Auch die marxistische Theorie trägt seit Beginn den Anspruch auf praktische Veränderung in sich. Sie macht sich nicht nur das kritische Hinterfragen der Verhältnisse zur Aufgabe, sondern verknüpft ihre Kritik mit der Hoffnung nach einer besseren Welt. Unsere theoretische Auseinandersetzung kann und sollte uns damit auch ein Verständnis davon geben, wie Veränderung möglich werden kann und wie eine politische Praxis mit tatsächlicher Durchsetzungsperspektive aussehen kann. 

All unser Nachdenken, all unser Unbehagen, all unsere Wut sollten demnach stets auch in kollektive Organisation und Aktion umgesetzt werden, wenn wir die Zukunft einer besseren Universität und einer besseren Welt nicht aufgeben wollen. Angesichts der auf uns zukommenden Klimakatastrophe, der wachsende Ungleichheit, der Kriege und der multiplen Krisen, die wir erleben, ist diese Organisierung – ebenso wie eine kritische Wissensproduktion und eine scharfe Analyse der uns umgebenden Missstände – notwendiger denn je. Kritische wissenschaftliche Praxis braucht Räume, sie braucht dauerhafte finanzielle Ausstattung und sie braucht Zeit. Erste Schritte in diese Richtung sind neben der Institutionalisierung der Gastprofessur und der finanziellen Absicherung von kritischer Lehre auch die lang ersehnte Errichtung eines selbstverwalteten Studierendenhauses auf dem IG-Farben-Campus – als Basis für eine aktive studentische Mitgestaltung und hochschulpolitische und wissenschaftliche Themensetzung von unten.

Kurzum: Wir wollen keine Universität als Elfenbeinturm, aber auch keine Markthalle. Stattdessen gilt es mit Blick auf eine wünschenswerte Zukunft gemeinsam eine demokratische Hochschule zu schaffen, die allen offensteht und den kollektiven Raum für kritische Reflexion, Debatte und Widerstand bietet. Sowie eine Bildung, die nicht bloß marktförmige Interessen bedient, sondern emanzipatorisches Denken und vielfältige Perspektiven fördert. Und damit schließlich eine Universität, die die sie umgebenden globalen kapitalistischen Ungleichheitsverhältnisse zu benennen und zu kritisieren weiß; die gemeinsam mit der gesellschaftlichen Bewegung über die Verhältnisse hinausweist oder sie gar zu überwinden vermag. 

Es bleibt noch viel zu fragen, viel zu sagen und noch mehr zu tun, wir freuen uns darauf, gemeinsam mit euch im Hier und Jetzt damit anzufangen. So können wir selbst zu der Hoffnung werden, die wir so dringend für die Zukunft brauchen. Es gibt noch immer eine Welt zu gewinnen. Holen wir sie uns!