
Elemente einer Theorie der Faschisierung
Zur Kritik des linken Faschismusbegriffs
In der Linken ist es heute weit verbreitet, die radikale Rechte pauschal als faschistisch zu bezeichnen. Man ist gegen die AfD und andere autoritäre Bewegungen, weil sie Faschisten seien, gegen die es gilt, geschlossen die Demokratie zu verteidigen. Diese pauschale Benennung der radikalen Rechten als faschistisch ist faktisch falsch, unterschätzt den Faschismus gewaltig und ist nicht in der Lage, ein angemessenes strategisches Verhältnis zur radikalen Rechten zu entwickeln. Denn es ist ein bloß liberaler Faschismusbegriff, der die radikale Rechte dichotom der bürgerlichen Demokratie gegenüberstellt und diese zum unhinterfragbaren Ideal erhebt. Dies blendet jedoch ihre Herkunft aus dieser bürgerlichen Demokratie, genauer aus den Krisen der kapitalistischen Gesellschaft aus.
Ein systematischer Blick zurück auf den historischen deutschen Faschismus bietet Aufschluss sowohl über die Unterschiede innerhalb der radikalen Rechten als auch ihre Entstehung aus den tiefen Krisentendenzen der damaligen Zeit. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf mein Buch Die Faschisierung des Subjekts (2022) und meinen Aufsatz Die Gegenwart des faschistischen Subjekts (im Sammelband Kritische Theorie und extreme Rechte, 2023).
Autoritarismus – Pseudosozialismus – eliminatorischer Faschismus
Der Nationalsozialismus durchlief von seinen Anfängen bis zur Kriegsniederlage eine sukzessive Radikalisierung, in der sich seine ideologischen Koordinaten grob von einem pseudoantikapitalistischen Antisemitismus und Nationalismus hin zum Vernichtungskrieg und zur antisemitischen Vernichtungsmaschinerie verschoben. Aber die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) arbeitete insbesondere in der Zeit zwischen dem gescheiterten »Marsch auf Berlin« 1923 und ihrem Herrschaftsbeginn 1933 mit einer legalistischen, autoritären Wahlpropaganda. Daneben gab es aber auch eine Vielzahl einflussreicher autoritärer Organisationen, die der NSDAP den Weg bereiteten.
Für die Unterschiede innerhalb der radikalen Rechten greife ich an Ernst Noltes Buch Der Faschismus in seiner Epoche (1963) zurück. Nolte ist zwar später selbst zum Faschisten geworden, dennoch ist das frühere, unter anderem auch von Wolfgang Wippermann geschätzte Buch eine hervorragende historische Untersuchung des europäischen Faschismus in seiner ganzen Breite. Angelehnt an Noltes Topologie des Faschismus, möchte ich ebenfalls mit drei Unterscheidungen arbeiten:
- Autoritarismus
- Pseudosozialistischer Faschismus
- Eliminatorischer Faschismus
Der Autoritarismus wurde in der Weimarer Republik zunächst von der völkischen Bewegung und dem Stahlhelm, und ab 1928 insbesondere von der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) unter dem Vorsitzenden Alfred Hugenberg vertreten. Mit Hugenberg setzte sich der völkisch-antisemitische Flügel der DNVP gegen den monarchistisch-republikfeindlichen, aber staatstragenden Flügel durch. Die DNVP arbeitete in dieser Zeit immer wieder mit der NSDAP zusammen und ermöglichte 1933 die Kanzlerschaft Hitlers, indem sie mit der NSDAP eine Koalition einging. Typisch für den Autoritarismus ist sein massenagitatorischer, emotionalisierter und konfrontativer Politikstil und die durch Wut und Empörung kollektivierte autoritäre Masse. Ideologisch ist der Autoritarismus ein radikalisierter Konservatismus, der unter den Bedingungen der Demokratie versucht, dem Sozialismus durch seinen eigenen Kampf gegen die bürgerliche Welt »den Wind aus den Segeln zu nehmen« (Nolte). Der Autoritarismus ist, wie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno schreiben, »bürgerlich und aufsässig zugleich«; Autoritäre seien Liberale, »die ihre antiliberale Meinung sagen wollten«. Ihr Kampf gegen die Demokratie ist daher nur pseudorevolutionär. Autoritäre Bewegungen in Deutschland sind etwa die AfD, Pegida oder die Querdenker, die das »deutsche Volk« und »die normalen Bürger« gegen Islam, Multikulti und Establishment verteidigen wollen, dabei aber im Gegensatz zu faschistischen Akteuren ihr Ziel mit legalen Mitteln und einem langfristig angelegten Eindringen in die Institutionen zu erreichen versuchen.
Der pseudosozialistische Faschismus ist schon im Namen des National-Sozialismus sowie in dessen Parteiprogramm von 1920 mit seinen pseudoantikapitalistischen Forderungen formuliert. Später verkörperten ihn die Sturmabteilung (SA), die sich als Volksmiliz im Herzen eines »erwachenden« Deutschlands sah und die Entmachtung des Großkapitals forderte. Auch die erste Zeit der Herrschaft der NSDAP bis zum Röhm-Putsch, als die SA dominierte, kann man pseudosozialistisch nennen, da in dieser Zeit antisemitische Kampagnen gegen Jüdinnen und Juden als »Ausbeuter« und »Wucherer« liefen und die Überwindung der Klassengegensätze in der Volksgemeinschaft – etwa am 1. Mai 1933 – gefeiert wurde. Der pseudosozialistische Faschismus ist nach Nolte durch einen erst noch politischen Totalitarismus geprägt (im Gegensatz zum vollen Totalitarismus), der den totalitären Staat mit einer ideologisch ausgerichteten Einheitspartei mit Gewalt gegen den liberalen Verfassungsstaat und dessen Pluralismus durchsetzt. Heute kann man den Pseudosozialismus in Deutschland im »Flügel« der AfD um Björn Höcke, bei Neonazi-Kameradschaften oder auch bei der NPD bzw. jetzt der Partei Die Heimat, finden.
Die NS-Herrschaft ab 1934, nach der Entmachtung der SA, war eliminatorischer Faschismus, der sich gegen die vorher mit der SA dominierende pseudosozialistische Interpretation des Nationalsozialismus wandte. Jedoch vertraten Teile der NSDAP – nicht zuletzt Adolf Hitler, Heinrich Himmler und andere Nazi-Führer sowie die Schutzstaffel (SS) – schon zuvor eine eliminatorisch-faschistische Interpretation des Nationalsozialismus, und auch nach 1934 war der Nationalsozialismus kein monolithischer, unveränderlicher Block. Zentral ist hier der entschiedene und totale Vernichtungswille, der nicht leidenschaftlich-emotional, sondern kalt-rational und systematisch vorgeht und dabei eine endgültige Situation (»Endsieg«) herzustellen bestrebt ist. Der eliminatorische Faschismus wähnt sich – das »deutsche Volk« – in einem Kampf auf Leben und Tod: Er glaubt angesichts einer fundamentalen Bedrohung durch das Judentum um das Überleben schlechthin kämpfen zu müssen – und zwar in Form von Vernichtungskrieg und Massenmord. Seine Regierungsform ist »tendentiell allumfassender Totalitarismus« (Nolte), der keine Selbständigkeit der »vorpolitischen und transpolitischen Beziehungen des Menschen zu den anderen Einzelnen« duldet und einen totalen Anspruch auf das ganze Wesen des Einzelnen durchsetzt. Der eliminatorische Faschismus tritt heute vor allem in der Form des Rechtsterrorismus wie beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Erscheinung, dessen Morde sich von anderen rassistischen Gewalttaten (wie Brandanschlägen und Pogromen) dadurch unterscheiden, dass sie langfristig und systematisch geplant und vorbereitet waren, und die Opfer nicht dem Nahbereich der Täter*innen entstammten, sondern im gesamten Bundesgebiet lebten.
Ursachen
Die heute weit verbreitete, die Debatten häufig dominierende Theorie des autoritären Charakters sieht die Ursachen für die radikale Rechte in reaktionären Einstellungen in der Bevölkerung, die auch in liberalen Zeiten verbreitet seien und die in Zeiten des Rechtsrucks nur ihr wahres Gesicht offen zeigen würden. Entsprechend wird häufig geschlussfolgert, es gebe heute gar keinen Rechtsruck. Der Unterschied bestehe lediglich nicht im gesellschaftlichen Rechtsruck, sondern in der Etablierung autoritärer politischer Angebote und der öffentlichen Enttabuisierung der reaktionären Einstellungen.
Diese Theorie geht auf Adornos Studien zum autoritären Charakter (1950) zurück, denen zufolge der autoritäre Charakter durch die Sozialisation in der patriarchalen Kleinfamilie entsteht. Er äußert sich etwa in Unterwürfigkeit gegenüber Autoritäten, in Alltagsdiskriminierung oder im Patriotismus und Populismus. Der entscheidende Kniff bei dieser Analyse ist, dass Adorno diesen autoritären Charakter von Erich Fromm übernimmt und mit dem faschistischen Charakter identifiziert. Adorno übernimmt das Konzept des autoritären Charakters von Fromm, will damit aber etwas erklären, wozu es gar nicht gedacht war. Er verwischt denn auch die Unterschiede zwischen Autoritarismus und Faschismus: Beides soll gleichermaßen Ausdruck des autoritären Charakters sein, wobei er diesem den liberalen, demokratischen Charakter dichotom gegenübersetzt.
Da autoritäre Charakter nach Adorno keine rechtsradikalen oder gar faschistischen Individuen, sondern die strukturelle Unterordnung und Menschenfeindlichkeit im Kapitalismus beschreibt, scheint »autoritär« nicht der richtige Ausdruck dafür zu sein. Gemäß Duden ist unter »autoritär« heute – anders als früher – »totalitär, diktatorisch; unbedingten Gehorsam fordernd« zu verstehen. Ich spreche daher stattdessen vom »autoritätsgebundenen Charakter«, ein Begriff, den Adorno selbst regelmäßig anstelle des »autoritären Charakters« verwendet.
Auch wenn diese Theorie die strukturelle Unterordnung und Menschenfeindlichkeit sehr gut analysieren kann, scheitert sie daran, eine Konjunktur der radikalen Rechten zu erklären. Ihr zufolge werden die autoritätsgebundenen Charaktere manifest antidemokratisch, wenn es antidemokratische politische Angebote gibt (zum Beispiel, wenn politische Eliten beginnen, sich rassistisch zu äußern, oder wenn sich eine rechtsradikale Partei wie die AfD formiert). Aber solche antidemokratischen politischen Angebote entstehen nicht von selbst, sie werden nicht über die Köpfe der Menschen hinweg gegründet, sondern sie entstehen – als Ausdruck einer sozialen Bewegung – von der Basis her. Adornos theoretischer Ansatz setzt voraus, was er erklären will. Gegen Adorno muss man die Konjunkturen der radikalen Rechten daher aus Reaktionen auf Krisenerfahrungen erklären, wobei dies für Autoritarismus, Pseudosozialismus und eliminatorischen Faschismus jeweils unterschiedlich ausfällt.
Den Autoritarismus in der Weimarer Republik kann man mit Fromm aus der Krisenlage des Kleinbürgertums nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erklären. Der verlorene Weltkrieg, in den das Kleinbürgertum grossartige nationale Hoffnungen gesetzt hatte, hat zu einer breiten Frustration geführt. Mit der deutschen Revolution und der Gründung der Weimarer Republik ist demzufolge auch die kulturelle Ordnung, in der sich das Kleinbürgertum zu Hause gefühlt hatte, zusammengebrochen: Die Monarchie war entmachtet, die Kirche hatte ihre gesellschaftliche Stellung verloren, die Nation war durch die Versailler Verträge gedemütigt. Das verband sich mit den persönlichen Schicksalen des Kleinbürgertums. Die Zeiten, in denen es als stabiler Mittelstand, als »etwas Besseres«, gesellschaftliches Prestige genossen hatte, waren angesichts der zunehmenden ökonomischen Monopolisierung vorbei. Die Inflation machte die Lage des Mittelstands noch unsicherer; die Familie, das »traute Heim«, verlor an Bedeutung. Die Identitätsgrundlagen des Kleinbürgertums waren erschüttert. Es stand ökonomisch, kulturell und ideologisch vor einem Abgrund und war von Ängsten, Verbitterung, Gefühlen der Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit beengt. Diese »unerträgliche psychologische Situation« (Fromm) kompensierte das Kleinbürgertum, indem es zur autoritären Ideologie überging – es wurde nationalistisch und rassistisch. So fühlte sich das Kleinbürgertum keineswegs mehr verunsichert, ohnmächtig und bedeutungslos, sondern erfüllt von aggressivem, autoritärem Selbstbewusstsein – eine psychologische Scheinlösung, die die zugrundeliegenden Probleme nicht löst, aber erlaubt, die »unerträgliche psychologische Situation« zu überwinden.
In der Massenpsychologie des Faschismus (1933) erklärt Wilhelm Reich den pseudosozialistischen Faschismus aus den einschneidenden Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 für die Massen, die drastischen Verelendungsprozessen unterworfen waren. Die Massen bildeten Reich zufolge erhebliche antikapitalistische Impulse aus und wählten darum NSDAP, obwohl diese den Kapitalismus recht offensichtlich verteidigte. Er geht dabei ebenfalls vom Konzept des autoritätsgebundenen Charakters aus, den er hier als dem Antikapitalismus entgegenwirkende psychische Struktur fasst. In den Individuen arbeiten daher zwei Kräfte aufeinander: Auf der einen Seite nehmen sie ihre ökonomische Lage durchaus als Effekt des Kapitalismus wahr. Auf der anderen Seite identifizieren sie sich aufgrund ihrer psychischen Struktur mit Nation und Staat; sie bleiben der Obrigkeit gegenüber brav und gehorsam und haben regelrechte Todesangst vor dem Untergang der bestehenden Ordnung. Kurz gesagt: Sie wollen die Revolution und fürchten sie zugleich.
Beides wirkt dabei so zusammen, dass daraus eine innere Wandlung des Kleinbürgertums zum National-Sozialismus resultiert, der diese beiden widersprechenden Impulse vereint. Der Nationalsozialismus bringt es fertig, zugleich gegen den Kapitalismus zu kämpfen und ihn zu verteidigen. Die antikapitalistische Energie wird nationalistisch und rassistisch kanalisiert und so gegen ein »fremdes«, »undeutsches« System des ausländischen Finanzkapitals gewendet, das – der Ideologie zufolge – Nation, Volksgemeinschaft und ehrliche Arbeit kontrolliert und ausbeutet. Zugleich kompensiert der Nationalsozialismus die Todesangst vor dem Umsturz des bestehenden Systems durch die Arbeiterklasse, und damit vor dem Untergang der bürgerlichen Werte von Sittlichkeit, Familie, Nation, indem er diese Werte zu einem aggressiven Nationalismus und Rassismus auflädt. Auf dieser ideologischen Basis kämpft der Nationalsozialismus trotz seiner »antikapitalistischen« Stoßrichtung gegen die Arbeiterbewegung, indem er diese als »undeutschen« Feind seiner übersteigerten bürgerlichen Werte wahrnimmt.
Den eliminatorischen Faschismus analysieren Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung. Dort schreiben sie (kurz nach Auschwitz!): »Aber es gibt keine Antisemiten mehr.« Damit meinen sie nicht, dass es keinen Antisemitismus mehr gibt, sondern dass der »zeitgemäße Antisemitismus« gegen die Jüdinnen und Juden nicht mehr wie Autoritarismus und Pseudosozialismus aus persönlicher Feindschaft und Aggression vorgeht, sondern einen eigentümlich unmotivierten, emotionslosen Charakter hat. Der Antisemitismus resultiere nicht mehr aus einem psychischen Konflikt, sondern aus einer »Liquidation des Individuums«. Damit ist keine reale Liquidation im Sinne einer Ermordung, sondern die Depersonalisierung des Individuums gemeint. Der eliminatorische Antisemitismus geht nicht von Individuen aus, sondern ist ein die Individuen übergreifender, überindividueller Apparat, die Vernichtungsmaschinerie, die den Massenmord auf dem Wege einer effizient organisierenden Verwaltung verübte. Es handelt sich um ein Kollektiv depersonalisierter, »totalitärer« Individuen, in das die Individuen völlig integriert sind und das systematisch, effizient und mit absoluter Wucht eine Vernichtung betrieb, die endgültig sein sollte.
Die Erklärung dessen ist bei Horkheimer und Adorno nur angedeutet. Die Depersonalisierung ist ihnen zufolge eine Folge fundamentaler Existenzängste, einer radikalen Ohnmachtserfahrung angesichts einer »eisernen Wirklichkeit«, der gegenüber das Individuum nichts vermag und keine Selbstbestimmung leben kann. Jeder Ausweg erscheint dabei als illusionär. Wie ich in Die Faschisierung des Subjekts (2022) herausgearbeitet habe, kann es in dieser ausweglos scheinenden Situation – in der das Individuum an seiner Selbstbestimmung gehindert ist und daher kein Individuum mehr sein kann – zu einer Liquidation des Individuums kommen, in der dieses freiwillig seine Selbstbestimmung aufgibt. Es wird dann, wie der faschistische Philosoph Martin Heidegger formuliert, »Freiheit zum Tode«. Durch diese freiwillige »Liquidation«, in der das Individuum frei für den eigenen Tod wird, wird es ebenso frei von allen moralischen Beschränkungen und kann den Egoismus der bürgerlichen Selbstbehauptung ungehindert und in absoluter »Freiheit« entfalten.
Sozialismus oder Barbarei
Heute zeichnet sich in vielen Ländern eine ähnliche Situation wie in den 1920er-Jahren in Deutschland ab. Weltweit haben autoritäre Organisationen und Bewegung massiv an Einfluss gewonnen: Sie dringen in Institutionen ein, erringen zunehmend Diskursmacht, haben in mehreren Staaten die Regierungsmacht inne. Was in der Weimarer Republik passiert ist, in der der Stahlhelm, die DNVP oder die völkische Bewegung den Boden für die plötzliche Faschisierung größerer Teile der Bevölkerung nach der großen Krise von 1929 bereitet haben, kann wieder passieren. Auch heute drohen wieder einschneidende Krisen, nicht zuletzt angesichts der Klimakrise, zunehmender Kriegsgefahr und der aufgrund der Digitalisierung anstehenden Proletarisierungswellen.
Aber: Wie unaufhaltsam die gesellschaftliche Rechtsentwicklung oft auch zu sein scheint, weder die autoritäre noch die faschistische Reaktion auf die Krise ist notwendig. Ebenfalls möglich ist die sozialistische Erkenntnis, dass Männlichkeit, Familie, Nation und Abendland Ideologien sind, deren Untergang gerade wünschenswert wäre, und dass die Krisen nicht durch diese, sondern durch eine Revolutionierung der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Bedingungen überwunden werden könnten.
Wenn die jetzigen Krisen fortschreiten, wird es nicht mehr ausreichen, die bürgerliche Demokratie gegen den Faschismus zu verteidigen. Der wirkliche, effektive Antifaschismus kann – so unrealistisch das klingt und vorläufig auch ist – nur mehr ein neuer Anlauf für eine Revolution sein. Wir stehen daher heute wieder vor der Frage Rosa Luxemburgs: Sozialismus oder Barbarei?