Knast statt Gerichtsbühne
Urteil im Prozess gegen Franco Albrecht
Der Offenbacher Oberleutnant der Bundeswehr Franco Albrecht wurde nach über einem Jahr Prozess zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt, weil das Gericht davon überzeugt war, dass er rechtsterroristische Anschläge geplant hat. Offene Fragen bleiben aber auch nach Abschluss des Verfahrens.
Die Bundeswehr steht politisch gerade hoch im Kurs. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es wieder einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit einer deutschen Armee. Die Militärausgaben wurden im Frühjahr drastisch erhöht. Fast vergessen scheinen vor diesem Hintergrund die Skandale der letzten Jahre, die auf eine beachtliche Menge an rassistischen oder neonazistischen »Einzelfällen« und Netzwerken in der Bundeswehr aufmerksam machten. Dass extrem rechte Aktivitäten in der Armee zuletzt überhaupt wieder Thema wurden, nahm seinen Anfang mit der Verhaftung des Oberleutnants Franco Albrecht im April 2017.
Schon einige Monate zuvor war Albrecht am Wiener Flughafen kurzzeitig festgenommen worden. Der Oberleutnant hatte dort auf der Rückreise vom »Ball der Offiziere« eine geladene Pistole versteckt. Er wollte diese ausgerechnet am Tag des »Akademikerballs« aus dem Versteck holen, wurde dabei jedoch erwischt. Der Wiener »Akademikerball« fungiert als rechte Netzwerkveranstaltung und wird stets von Gegenprotesten begleitet. Erneut verhaftet wurde Albrecht im April 2017, da die Behörden in der Zwischenzeit festgestellt hatten, dass er eine geheime Tarnidentität als syrischer Geflüchteter »David Benjamin« besaß und aus einer extrem rechten Gesinnung heraus Mordanschläge auf Politiker*innen und Aktivist*innen begehen wollte. Nach mehreren Jahren hin und her durch zwei Instanzen wurde die Anklage gegen Albrecht, der damals nach sieben Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, schließlich zugelassen und im Mai 2021 begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt.1
Antisemitisches Laientheater
Die Ausgangslage für den Prozess war für Albrecht eher positiv: ein lange verschleppter Verfahrensbeginn, ein Gericht, das zur Zulassung der Klage gezwungen werden musste, und der juristisch umstrittene Tatvorwurf der Terrorvorbereitung (§89a StGB), der nur schwer nachweisbar ist. Albrecht hätte diese Situation nutzen können, um sich nicht einzulassen. Von Beginn an nutzte er den Gerichtssaal jedoch als Bühne für seine rechte Ideologie. Die minderschweren Tatvorwürfe räumte er weitgehend ein, wobei er bis zum Ende nicht sagen wollte, wo sich seine weiteren Schusswaffen befinden. Den Vorwurf der Anschlagsvorbereitung stritt er ab. Die Erklärung für seine Taten: Er habe sich auf einen drohenden Bürgerkrieg vorbereiten wollen. Ebenso stritt er seine extrem rechte Ideologie ab und behauptete stets, alle Menschen zu lieben und Frieden zu wollen.
Dass Albrecht eine extrem rechte und insbesondere antisemitische Ideologie vertritt, gespickt mit Verschwörungsglauben und einem guten Schuss Esoterik, zeigte sich im Gerichtssaal immer wieder: zum einen durch Sprachmemos von seinem Handy und im Prozess verlesene Notizen, zum anderen durch verschwörungsideologische Ausfälle im Verfahren selbst, die keine Interpretationsspielräume offen ließen. So verteidigte er einen Audiomitschnitt mit seiner Äußerung, die USA würden von »den Juden« kontrolliert, damit, dass er sich intensiv mit deren Einfluss auf das »weltpolitische Geschehen« auseinandergesetzt habe. Noch zum Ende des Prozesses bezeichnete er etwa den antisemitischen Verschwörungsideologen David Icke als seinen »Lehrmeister«. Flankiert wurde er dabei von seinen beiden Rechtsanwälten Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock aus Mainz. Vor allem Schmitt-Fricke fiel immer wieder selbst mit verschwörungsideologischen Andeutungen auf und nutzte den Gerichtssaal für einen Angriff auf die Flüchtlingspolitik. Ansonsten blieben beide Anwälte eher stumm und überließen es ihrem Mandanten, vermutlich auf dessen eigenen Wunsch, sich selbst zu verteidigen. Anders ist dieses anwaltliche Totalversagen nicht zu erklären.
Nach über einem Jahr Verhandlung und 39 Prozesstagen endete Albrechts Schauspiel. Das Gericht verurteilte ihn nicht nur für die vergleichsweise kleineren Waffen- und Betrugsdelikte, sondern auch wegen der Vorbereitung einer »schweren staatsgefährdenden Gewalttat«. Es zeigte sich davon überzeugt, dass Albrecht spätestens seit Ende 2015 fest entschlossen war, aus einer »rassistischen, rechtsextremen und völkisch-nationalistischen Gesinnung« heraus Menschen zu töten. Insbesondere seinen Antisemitismus betonte das Gericht. Es geht davon aus, dass er zwar einen genauen Anschlagsplan noch nicht konkretisiert hatte, aber so fest dazu entschlossen war, Menschen, die aus seiner Sicht verantwortlich für eine vermeintliche »Umvolkung« seien, zu töten, dass er hierfür umfangreiche Vorbereitungen getroffen hatte, wie etwa die Beschaffung von Waffen und das Ausspionieren möglicher Ziele. Lediglich einen Plan, dies unter der Tarnidentität eines syrischen Geflüchteten zu tun, sah es nicht. Das Gericht verurteilte Albrecht zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Albrechts Anwälte kündigten an, Revision einzulegen.
Offene Fragen
Mit dem Urteil einer über fünfjährigen Haftstrafe besteht nun die Gefahr, dass der gesamte »Komplex Franco A.« ad acta gelegt wird. Der Schuldige, der Anschläge plante, sitzt schließlich in Haft. Doch stellte sich schon vor Prozessbeginn die Frage, ob noch weitere Personen in seine Anschlagspläne eingeweiht waren.
Da wäre bspw. Maurice R., Bundeswehrreservist aus Frankfurt, seit Jahren wohnhaft in Wien und dort scheinbar eingebunden in rechte Netzwerke. Zumindest zeigen ihn Fotos in geselliger Runde mit FPÖ-Politikern mit damals guten Kontakten in die Parteispitze. Ihn besuchte Albrecht 2017 beim »Ball der Offiziere«. Sowohl bevor als auch nachdem er damals auf der Rückreise die Waffe auf einer Behindertentoilette versteckte, telefonierte Albrecht mit Maurice R. Ein Bild des Verstecks postete er in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe. Maurice R. kommentierte das Bild der Toilette mit einem Smiley. Warum die Telefonate, das Foto und der Smiley, wenn er von der Waffe nichts wusste? Dann wäre da noch Maximilian Tischer, Bundeswehrkamerad von Albrecht und Bruder seiner Verlobten, Vorstand der AfD-Jugend in Sachsen-Anhalt und zeitweise Mitarbeiter für den AfD-Abgeordneten Jan Nolte im Bundestag. Auch er war in Wien mit von der Partie, will von der Waffe aber nichts gewusst haben. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Behörden bei ihm eine Liste mit Namen und Adressen von Politiker*innen und Aktivist*innen, auch linker Aktivist*innen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Die Kategorisierung der Namen erinnert stark daran, wie der Massenmörder von Oslo und Utøya 2011 vorschlug, seine Feinde einzuteilen. Zudem wies sie Überschneidungen mit den Anschlagszielen von Albrecht auf. Zu nennen wären außerdem Matthias F. und Christoph K., Jugendfreunde von Albrecht, die nicht nur selbst durch eine rechte Ideologie auffielen, sondern beide für ihn zeitweise seine gestohlenen (Kriegs-)Waffen versteckten. Wegen der Waffendelikte wurden sie angeklagt, von Anschlagsplänen wollen aber auch sie nichts gewusst haben. Während Matthias F. hierfür schon 2019 zu einer Bewährungs- und Geldstrafe über 2.500 Euro verurteilt wurde, wurde Christoph K. im Frühjahr dieses Jahres freigesprochen. Zwar hatte er in einer Vernehmung das kurzzeitige Aufbewahren der Waffen von Albrecht zugegeben. Da ihn der vernehmende Polizist jedoch daraufhin nicht als Verdächtigen belehrte, wurde er wegen Verfahrensfehlern freigesprochen.
Es war nicht das einzige Mal, dass das ermittelnde BKA Fehler machte. Erst durch zweimal von Gerichten angeordnete Nachermittlungen kam heraus, dass Albrecht die Waffe aus Wien bereits sieben Monate vorher gekauft und sich im selben Monat illegal Zutritt zur Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung verschafft hatte, um dort parkende Autos auszukundschaften. Auch eine Hütte im Wald bei Straßburg, die Albrecht laut Aussage seines Freundes Alexander Reiner J., Bruder im Geiste bezüglich Verschwörungsideologien, besessen haben soll, wurde nie gefunden. Ebenso wenig die Waffen, deren illegalen Besitz Albrecht zugegeben hat, darunter ein Sturmgewehr. Womöglich liegen sie noch irgendwo bereit.
Rolle der Geheimdienste
Gänzlich unbeachtet im Prozess blieb die Rolle der Geheimdienste, obwohl auch diese Fragen aufwirft. So erscheint es zwar nicht unmöglich, jedoch nur schwer vorstellbar, dass Geheimdienste den Namen Franco Albrecht erstmals durch die Festnahme am Wiener Flughafen hörten. 2016 soll der Oberleutnant der Bundeswehr an einem Treffen des Jagsthausener Kreises teilgenommen haben, einem verschwiegenen Vernetzungszirkel, in dem sich seit Jahrzehnten Personen aus extrem rechten Parteien, Publizistik, Militär und Wirtschaft vernetzen. Laut dem Journalisten Erich Schmidt-Eenboom sollen auch Mitarbeiter*innen deutscher Geheimdienste in der Vergangenheit rege teilgenommen haben. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird das Treffen hingegen nicht. 2016 soll Albrecht dort den Kontakt kennengelernt haben, der dazu führte, dass er wenige Monate später beim »Preußenabend« in München eine Rede hielt, wie er im Prozess zugab. In dieser bekannte er sich, Rassist und Antisemit zu sein, und rief zum Kampf gegen das System auf. Der »Preußenabend« ist ein fester Termin der Münchener rechtskonservativen bis extrem rechten Szene. Hat kein*e Geheimdienst-Mitarbeiter*in den Oberleutnant dabei beobachtet, wie er dort zum Kampf gegen das System aufrief? Und schließlich bleibt auch die Verhaftung Albrechts am Wiener Flughafen merkwürdig. Dass jemand an einem hochgesicherten Ort wie einem Flughafen eine geladene Pistole versteckt und trotzdem wenige Stunden nach der Verhaftung wieder gehen kann, wirft Fragen auf. Hinter dem Handeln von Neonazis sollte nicht stets ein Geheimdienst vermutet werden. Im Fall von Albrecht stellt sich aber zumindest die Frage, seit wann die Dienste seinen Namen kannten.
Bezugspunkt Franco Albrecht
Als Albrecht eher durch Zufall aufflog, führte das in einer Kettenreaktion auch zur Enttarnung von Gruppen wie »Nordkreuz«, anderen Neonazi-Preppern und einer schwer überschaubaren Menge an rechten Soldat*innen. Ob dank der neuen Begeisterung für die Bundeswehr auch weiterhin ein Augenmerk auf solche Umtriebe gelegt wird, bleibt fraglich. Zugleich lebt rechter Terror davon, dass Rechtsterrorist*innen voneinander lernen und sich aufeinander beziehen. Der Neonazi Franco Albrecht hat anderen rechten Kameraden vorgemacht, wie leicht es ist, sich in der Bundeswehr Waffen zu beschaffen und Anschläge zu planen. Zumindest einen Anhänger hat er offenbar auch außerhalb der Armee gefunden: Der Vater des Attentäters von Hanau, der seinem Sohn in Sachen rechter Ideologie nur wenig nachsteht, zitierte in zwei Gerichtsprozessen wegen Beleidigungen Albrechts Anwalt Schmitt-Fricke mit einer ablehnenden Bemerkung über die Bundesanwaltschaft und bezeichnete Albrecht selbst in einem der Prozesse als seinen »Mitstreiter«.
-
1
Siehe LOTTA #83, 25.