
Universität ohne Nazis?
Eine Chronologie von Auseinandersetzungen mit der extremen Rechten an der Goethe-Universität
Auch an der Hochschule spiegeln sich politische Auseinandersetzungen und gesellschaftliche Kämpfe. So ist es kein Wunder, dass hier auch die Auseinandersetzung mit extrem rechten Strukturen und Ideologien immer wieder geführt werden musste. Schon in den 1970er Jahren waren neonazistische Wehrsportgruppen an der Frankfurter Universität um Aktivisten für eine paramilitärische Ausbildung. Doch immer wieder kam es auch zu Widerstand, nicht selten aus den Gremien der Verfassten Studierendenschaft, wie dem AStA oder den Fachschaften. Die folgende Chronologie umfasst lediglich Vorfälle aus den letzten Jahren und ist notwendigerweise unvollständig, da von einem Dunkelfeld auszugehen ist.
Solltet ihr von rechtsradikalen Umtrieben auf dem Campus mitbekommen, wendet euch an Fachschaften und AStA!
Anfang 2017: Die »Junge Alternative Hessen« macht mit einer Flugblattaktion am IG-Farben-Campus im Westend auf sich aufmerksam. Zu dieser Zeit versucht die AfD-Jugend, mit der »Campus Alternative« eine eigenständige Hochschulgruppe aufzubauen. Diese kann sich jedoch nicht etablieren.
Mai 2019: In Unibibliotheken auf dem IG-Farben-Campus im Westend werden gewaltverherrlichende, menschenverachtende Flyer einer neonazistischen Gruppierung namens »Atomwaffen Division« entdeckt. Wer die Flyer ausgelegt hat, bleibt unklar; auch ein einige Jahre später stattfindender Prozess gegen einen Lehrling aus Nordhessen, der für die CDU kandidierte und einen Ableger der »Atomwaffen Division« aufbauen wollte, brachte keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Flyer an der Goethe-Universität zutage.
Juni 2019: In einer Sitzung des Studierendenparlaments wird bekannt, dass auf einer Stellwand der FDP-nahen Liberalen Hochschulgruppe (LHG) eine Zeile aus einem SS-Lied geschrieben war. Bekannt wurde dies erst durch eine feuerpolizeiliche Begehung des Studierendenhauses. Die LHG distanzierte sich in der Folge von den »Schmierereien« und kündigte interne Konsequenzen an.
September 2020: Der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen und der AStA fordern den Entzug der juristischen Honorarprofessur von Hanns-Christian Salger am Insitute for Law and Finance. Dieser ist als Vorstand der ultraneoliberalen, sozialstaatsfeindlich eingestellten »Atlas Initiative« aktiv, die von Expert*innen als demokratiefeindlich eingeordnet wird. Zudem referierte er bei der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und sprach in seinem dortigen Vortrag politisch und religiös Verfolgten das Recht ab, sich öffentlich zu äußern. Die »Atlas Initiative« und ihr Vorsitzender Markus Krall machten einige Jahre später Schlagzeilen, als Krall als »Schattenminister« der Reichsbürger-Putschistengruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vorgesehen war. Die Liberale Hochschulgruppe und das Dekanat des Fachbereichs Jura schlugen sich auf die Seite von Salger, der weiterhin Honorarprofessor an der Goethe-Universität ist.
Juni 2021: Die antifaschistische Kampagne Kein Einzelfall macht öffentlich, dass der ehemalige Bundeswehrsoldat Franco Albrecht, der zu dieser Zeit wegen des Verdachts des Rechtsterrorismus vor Gericht steht, an der Goethe-Universität Jura studiert. Der AStA und studentische Gruppen fordern daher ein Schutzkonzept gegen rechten Terror an der Hochschule, unter anderem mit einer Kundgebung auf dem Theodor-W.-Adorno-Platz. Albrecht war im Februar 2017 festgenommen worden, aber während seines Prozesses die meiste Zeit auf freiem Fuß. Im Juli 2022 wurde er u.a. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Im August 2023 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.
April 2022: Eine Recherche der antifaschistischen Zeitung Lotta macht öffentlich, dass Günther Kümel, der als junger Neonazi 1965 in Österreich den Antifaschisten Ernst Kirchweger erschlagen hatte, bis zu seinem Ruhestand in den 2000er Jahren jahrzehntelang an der Goethe-Universität als Virologe tätig war. Bereits während dieser Zeit war Kümel hin und wieder als Leserbriefschreiber in extrem rechten Publikationen aufgefallen. Seit einigen Jahren veröffentlicht er immer häufiger in diversen Neonazi-Zeitungen, mutmaßlich da er als Pensionär keine negativen beruflichen Folgen mehr fürchten muss.