
Raketen gegens Weiße Haus
Wie können wir die Allianz zwischen der fortschrittsorientierten Tech-Branche aus dem berüchtigtsten Tal der Welt und der regressiven MAGA-Bewegung verstehen? Und was hat es mit dem Break-up von Musk und Trump auf sich? Auf der Suche nach Antworten, findet der Artikel sogar linke Perspektiven auf die Entgrenzung.
In den Nachwehen des großen Bromance-Break-ups, das ja bereits breit in der Öffentlichkeit durchdiskutiert wurde, verlautbarte Musk auf seiner Kommunikationsplattform X: »Whatever happens, we have got the spaceships, and they do not«. Damit konnte das Battle Royale also endgültig beginnen – die von der künstelnden Intelligenz generierten Karikaturen der beiden Alphamännchen als Boxkämpfer oder Kampfjetpiloten weisen uns in dieser postpostmodernen Gesellschaft den Showact: Reichster Mann der Welt gegen den mächtigsten Mann der Welt: Der mit den Spaceships gegen den mit dem Weißen Haus. Der mit den Elektroautos gegen den Oberbefehlshaber des mit zehn Flugzeugträgern ausgestatteten stärksten Militär der Weltgeschichte. Spätestens nach Musks erstem Eingeständnis auf X , dass er den Streit übertrieben habe, liegt das orange Team in den Wettumfragen vorne.
Kurz vor der Amtsübernahme der neuen US-amerikanischen Regierung, schrieb der mittlerweile in Toronto lehrende Faschismus-Forscher Timothy Snyder (zuvor Yale) in einem Blogbeitrag, dass die neue Regierung »MUMP-Regime« genannt werden sollte. Die Fusion aus Trump und Musk wollte er hier besonders hervorheben – erklärt in dem Blogbeitrag allerdings, er habe bewusst das »M« an vordere Stelle gelegt, um deutlich zu machen, wer am längeren Hebel sitze: Der hundertfache Milliardär sei für die produktive Allianz wichtiger als der cholerische Republikaner.1 Wie plausibel ist aber diese Einschätzung des Kräfteverhältnisses nun nachdem sich die Macht konsolidiert?
Musks Idee, »we« (er und seine postpubertären Bros?) hätten die Raketen und »they« (die Regierung der Vereinigten Staaten?) nicht, ist in Anbetracht all seiner ketaminkoksgetränkten Wahnsinnssalven wenig verwunderlich. Zu glauben, er und sein Unternehmen seien mächtiger als die US-Regierung ist so plausibel wie der Glaube, ihm gehöre bereits der Mars. Was sich hier offenbart, ist eine folgenreiche Entgrenzung, von der wir aber was lernen können: Musk scheint fest in dem Glauben an seine eigene Macht und Wirkmächtigkeit verankert, Trump natürlich in seiner. Nur: Am Ende ist die Politik, und damit das Weiße Haus, diejenige Instanz, die Musk und sein Unternehmen in jeder Hinsicht erst hervorgebracht hat: Durch Bildung, Bereitstellung der Infrastruktur, Subvention, rechtsstaatlichem (Eigentums)Schutz.
Ausgerechnet Donald Trump rüttelt uns nun wach in der Einsicht, dass die benannten Bereiche keine Naturgesetze sind. Er sägt an der Bereitstellung all jener Infrastruktur (inklusive der »Elite-Unis«), die das Silicon Valley hat entstehen lassen. Er zermalmt mit seinen Executive Orders die rechtsstaatliche Rückbindung. Er willkürisiert den Einsatz von militärischer Macht, disruptiert die Weltwirtschaft mit seinen scheinbar impulsiven Zollsätzen und schneidet die Subventionen für seinen Expartner Elon einfach wieder ab. Er wäre sicherlich nicht gescheut, ihm seine Spielzeugraketen »zum Wohle Amerikas« oder zur reinen Befriedigung seines manischen Egos abzuluchsen. Macht ausgerechnet der quallige Möchtegern-Bonaparte also nun das wahr, was viele Linke nicht einmal zu träumen wagen: Musk Enteignen?
Angesichts dessen stellt sich vielleicht doch die Frage, mit der die Wochenzeitung Die Zeit vor Kurzem provozierte: »Sind Rechte die besseren Linken?«2 Es stimmt zumindest: Der »postliberale« Flügel des neuen Regimes, der sich hinter dem Vizepräsidenten und Beratern wie Patrick Deneen versammelt hat, hat unlängst zu einer verquerten Kapitalismuskritik ausgeholt. Sie schimpfen gegen materialistischen Hedonismus, gemeinschaftslossagende Individualisierung und Globalisierung. Die Lösung sehen sie dann in der Rückkehr zum patriarchalen Ernährermodell der Familie, einem katholisch-klerikalen Gemeinschaftsideal und einer homogenen, geeinten Republik.3 Ihr reaktionär-getränkter Unmut gegen den globalen Turbokapitalismus mündet schließlich in dem Wunsch zur Disruption, dem Wunsch nach Regime Change.4 Und genau diese Disruptionsphantasie drängt sie in die eigentlich paradoxe Allianz mit den hyperkapitalistischen technooptimistischen Radikallibertären, die in ihrem Kern eigentlich gerade die Feinde eines katholischen Postliberalen sein sollten.
Aber auch sie wollen das Alte sterben sehen, damit das Neue geboren werden kann. Zusammen stellen sie sich hinter den auserwählten Vulgärpopulisten, der es schafft, im Vordergrund mit unheimlicher Machtdemonstration alle zusammenzuhalten und das Gefühl zu vermitteln, für das eigene jeweilige Ziel genau der Richtige zu sein. Im Hintergrund halten Figuren wie Peter Thiel die Disruptions-Allianz der rückwärtsgewandten MAGAs, National-Evangelikalen oder Antiliberalen Katholiken auf der einen, sowie den vorwärtsgewandten, Richtung Mars, Cyberspace und Künstlichen-Intelligenz-Königreichen schauenden, Techno-Libertären auf der anderen Seite zusammen.<a class=«footnote__citation js-footnote-citation« id=«footnoteref5_eqVwQ1fkPyjUebe3iorCe8ZiHXOJVi4L1u4BzGcOzk_kCM5aHCnmcg7« title=«Zu einer übersichtlichen Darstellung von Peter Thiel als Strippenzieher im Hintergrund, siehe Daniel-Pascal Zorn im Ökonomieblog vom 02.06.2025: »Der Vermittler”. https://politischeoekonomie.com/dossier-peter-thiel-der-vermittler/. « href=«#footnote5_eqVwQ1fkPyjUebe3iorCe8ZiHXOJVi4L1u4BzGcOzk_kCM5aHCnmcg7«>5 Dass hier und da diese Zusammennaht aufplatzt, war abzusehen – doch die Macht, aus den Fäden tatsächlich einen Regime Change, das »Project 2025« umzusetzen, obliegt der exekutiven Gewalt, die hierarchisch so sortiert ist, dass sich Raketenjunge Elon einfügen müsste.
Dieser und andere Milliardärsmogule des Silicon Valley hatten 2016 gar noch Bernie Sanders unterstützt – wohl aus der geteilten Verachtung gegenüber Wall Street und Washington. Als die Demokrat*innen ihren linken Flügel stutzten und dann auch noch Silicon Valleys Firmen regulieren wollten, statt unreguliert an das solutionistische technoreligiöse Heilsversprechen zu glauben, zeigte sich allmählich die hässliche Fratze der »kalifornischen Ideologie«. Bereits 1995 schrieben Barbrook und Cameron, dass diese in einer ganz eigentümlichen Mixtur aus progressiver, liberaler Haltung und reaktionärem Weltbild bestehe. Der im Geniekult versteckte Glaube an »natürliche Hierarchien« ist nur ein Beispiel dafür. Ob es also linksemanzipatorisch je möglich gewesen wäre, den neu entstehenden Tech-Feudalismus des Silicon Valley auf die eigene Seite zu ziehen, scheint auch in der Retroperspektive unwahrscheinlich.
Natürlich sind die Rechten also nicht die besseren Linken. Die »Enteignung« von Musk würde wohl kaum bedeuten, dass die Trump-Regierung wirkliche Eigentumsfragen stellt oder am Kapitalismus rüttelt. Vielmehr würde es lediglich zu einer Umwidmung der Ziele seines Unternehmens kommen – ganz im Sinne einer »technological Republic«, wie sie jüngst von einer weiteren dubiosen Valley-Gestalt mit Frankfurter Vergangenheit (Alexander Karp, CEO von Palantir Technologies) vorgeschlagen wurde. Laut Karp sollen die neuesten technologischen Entwicklungen, inklusive KI (siehe dazu das Interview mit Mühlhoff in dieser Ausgabe) dem »Staatsinteresse« der Republik dienen. Hier vereinen sich also wieder große Vision mit großer Macht, ohne Umverteilung, oder Eigentumsinfragestellung – ob mit oder ohne Regime Change: Hauptsache Vorsprung durch Technik.
Wenn die Rechten also nicht die besseren Linken sind, so sind vielleicht gerade durch ihre Allianzbildung und Machtaneignung die besseren Politiker. Zusätzlich haben sie das unverschämte Glück, im Todestriebspiel andere Apokalyptiker anzuziehen. Doch vielleicht gewinnt die Linke gerade durch die neuentdeckten politischen Gestaltungsmöglichkeiten auch wieder an Momentum, um selbst in die Aktivität zu kommen und den Milliardären ihre Raketen wegzunehmen. Der Weg dahin ist angesichts der Dilemmata einer liberal-kapitalistischen Weltordnung nach wie vor kaum ersichtlich – aber vielleicht beginnt es mit dem (derzeit) von rechts freigesetztem und invertiertem Glauben, dass prinzipiell eine andere Welt möglich ist. Bedingung bleibt, dass die Disruptionen der rechten Allianz nicht in einer selbsterfüllenden Prophezeiung den Untergang herbeiführen und die Raketen von Elon am Ende doch noch auf dem Mars landen, während das Weiße Haus und die Welt in Flammen untergehen. Erst müssen wir Trump das Weiße Haus wegnehmen, und dann Elon seine Raketen.
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Anna Mayr und Robert Pausch in der Zeit 23/2025: https://www.zeit.de/2025/23/globalisierung-rechte-linke-usa-zoelle-weltwirtschaft
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Siehe zu einer Übersicht des Postliberalismus, aus dem ideologisch auch JD Vance hergeht: Carlotta Voß in Die Blaetter (04/2025): “Für Gott und gegen das Böse”. https://www.blaetter.de/ausgabe/2025/april/fuer-gott-und-gegen-das-boese
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Gleichnamiger Titel von Patrick Deneens neuem Buch (2023), das auf den Erfolg von “Liberalism against itself” (2019) aufbauen wollte.
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Zu einer übersichtlichen Darstellung von Peter Thiel als Strippenzieher im Hintergrund, siehe Daniel-Pascal Zorn im Ökonomieblog vom 02.06.2025: “Der Vermittler”. https://politischeoekonomie.com/dossier-peter-thiel-der-vermittler/.