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Eine Person in einem Raumfahrtanzug und mehrere Planeten, die in einer Schale gesammelt werden

Der neue Wettlauf im Weltraum

Blick aus dem Fenster. Die Sonne geht gerade über dem roten, sandigen Tal auf. Darüber sind noch Phobos und Deimos zu erkennen. Nein, nicht die Söhne des griechischen Kriegsgottes Ares. Es sind die Monde des Mars. Auf der anderen Seite des Tals landet gerade eine Rakete, sie bringt Roboter, Handwerker:innen und Tourist:innen zur Kolonie. Noch kann sie sich nicht autark versorgen, aber das soll sich schon bald ändern. Und das alles war nur möglich, weil Elon Musk 2026 sein erstes »Spaceship« seines Unternehmens SpaceX zum Mars geschickt hatte. Die Zukunft der Menschheit: Sie liegt im All.

Was der reichste Mann der Welt propagiert, wird er zumindest zu seinen Lebzeiten wohl nie erreichen. Das weiß er auch. Höchstwahrscheinlich wird auch die für 2026 angesetzte Mission wieder nach hinten verschoben werden. Die von ihm beschriebene Utopie dient nur dazu, den Wert seiner Unternehmen hochzutreiben. Selbst seine Investoren dürften das wissen. Sie spielen das Spiel natürlich mit.

Dennoch ist der Traum der Menschheit als Raumfahrendes Volk einer, der gar nicht so weit weg ist. Streng genommen befinden sich die Menschen mittendrin. Die Frage ist nur, ob das in einer Utopie oder einer Dystopie mündet, denn wie so ziemlich alle Lebensbereiche, ist auch die Raumfahrt ökonomisch getrieben. 

It’s the economy, stupid

Klar ist: Ressourcen sind endlich. Der Raubbau an der Erde, so wichtig er ist, hat im Kapitalismus zur ökologischen Katastrophe geführt. Alleine deshalb ist es sinnvoll, nach den Sternen zu greifen. Die NASA hat seit Jahren Pläne für den Rohstoffgewinn auf Asteroiden. Das beträfe Gold, Platin oder andere Metalle. 

Doch momentan gibt der Privatsektor den Ton an. Ganz vorne mit dabei am Goldrausch sind Privatunternehmen, allen voran neben Elon Musks SpaceX, Richard Bransons Virgin Galactic und Blue Origin des Amazon-Chefs Jeff Bezos. Sie alle haben das ökonomische Potenzial erkannt, das im Weltraum steckt.

Dabei konzentrieren sie sich auf ganz unterschiedliche Bereiche. Die Milliardäre Bezos und Branson setzen vorerst auf Touristenflüge. Das ist zumindest wirtschaftlich durchaus attraktiv. Durch die sinkenden Grenzkosten der Raumfahrt können sich die Tickets sogar stinknormale Millionäre leisten, die sonst natürlich ganz am Boden geblieben sind. 600 000 Dollar für einen 90-minütigen Flug bei Virgin Galactic, davon wenige Minuten Schwerelosigkeit, müssen für Nicht-Normalos wie ein Schnäppchen klingen. Die US-Amerikanische Sängerin Katy Perry hat zumindest vor kurzem unter viel Häme zugeschnappt.

Musk hingegen setzt vor allem auf Auftragsflüge für die NASA oder andere private Unternehmen, sei es, um Satelliten ins All zu schießen, oder auch Astronaut:innen. Oder, um seine eigenen Starlink-Satelliten in die Erd-Umlaufbahn zu bekommen und mit deren schnellem Internet gerne auch mal über den Verlauf von Schlachten zu entscheiden, wie aktuell in der Ukraine. Am Goldrausch beteiligen sich noch weitere Unternehmen, wie HyperSat, Rocket Labs, Boeing, Airbus, AXA XL oder Marsh, die an Weltraumtechnik arbeiten oder Versicherungen für Satelliten anbieten.

Rohstoffe und Geopolitik

In den kommenden Jahrzehnten dürfte es dann an die Rohstoffe im All gehen. Strenggenommen können Menschen schon seit mehr als 20 Jahren Raumsonden auf kleinen Himmelskörpern landen lassen, die mehrere hundert Millionen Kilometer entfernt liegen. Daran hat Japan im Februar 2019 erinnert, als es die Raumsonde Hayabusa2 auf dem Kometen Ryugu absetzte, um Gesteinsproben für die Forschung zu sammeln.

Die NASA startete 2014 das Forschungsprojekt New Asteroid Initiative, das kleine Asteroiden in die Mondumlaufbahn leiten sollte. Dort sollten Astronaut:innen mithilfe von Sonden den Abbau von Gestein erproben. Die Technik dahinter war durchaus simpel und längst vorhanden. Die ersten Praxistests hätten 2019 stattfinden sollen, doch der US-Kongress wollte das Projekt 2017 nicht mehr weiter finanzieren.

Das ist ein großes Problem: Seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenfall der Sowjetunion ist die Raumfahrt für Staaten lange Zeit kaum interessant gewesen, diente sie doch vor allem dem Kräftemessen zwischen den Großmächten. Deshalb haben Milliardäre wie Musk einen leichten Markteintritt und schaffen ein Oligopol. 2023 betrug der jährliche Umsatz in der privaten Weltraumwirtschaft 285 Milliarden US-Dollar, so der jüngste Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Tendenz steigend. Damit macht der Privatsektor mehr als die Hälfte des Umsatzes, der 2023 mehr als 500 Milliarden US-Dollar betrug.

Erst jetzt flammt das Interesse der Staaten wieder auf. Auch aus militärischen Gründen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat das erkannt und bei den jüngsten Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ein Raumfahrtministerium herausgehandelt.

Aber auch hier waren die US-Amerikaner schneller. 2015 erklärte der damalige US-Präsident Barack Obama per Dekret die USA zum Schürfrechtverwalter des Weltalls. Theoretisch können seitdem das US-Verteidigungsministerium, das US-Verkehrsministerium und die NASA entscheiden, wer für welchen Zweck in den Weltraum fliegen darf. Ein Gesetz, das in Zukunft durchaus relevant werden kann. Und das eigentlich zu einem Aufschrei hätte führen müssen. Denn – Außerirdische müssen kurz weghören – dieses US-Gesetz verstößt gegen den Outer Space Treaty, also jenes Weltraumgesetz, in dem sich die Vereinten Nationen 1967 darauf einigten, dass kein Staat dieser Welt den Weltraum für sich beanspruchen kann, da er der gesamten Menschheit gehöre.

Einen draufgesetzt hat US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit. Im Dezember 2019 gründete er die Space Force, also einen weiteren Arm der US-Streitkräfte. Viele belächelten das damals, dabei waren die USA überraschenderweise nicht die ersten. Russland hat bereits seit 2001 eine militärische Weltraumabteilung, die sich offiziell um den Schutz eigener Satelliten kümmert. Darüber hinaus hat sich China schon vor Jahren auf die Entwicklung von Spionagesatelliten spezialisiert. Das zeigt, dass kapitalistische und militärische Interessen Hand in Hand gehen. Das wird mit Blick auf die zunehmende Aufrüstung und neue Blockbildung auch zunehmen.

Aufregend ist die potenzielle Zukunft allemal, unabhängig davon, ob nun Utopie oder Dystopie. Die NASA arbeitet derzeit an Plänen zum Lunar Orbital Platform Gateway, einer Raumstation, die den Verkehr für Marsmissionen erleichtern soll. Zur Weltraumexpansion gehören auch Pläne, Treibstoff wie Wasserstoff oder Helium-3 in verschiedenen Ecken des Sonnensystems zu gewinnen. Daran forscht zum Beispiel das Glenn Research Center der NASA. Tankstellen im Weltraum würden höhere Reichweiten für Raumschiffe bedeuten, zudem könnte man größere Raumschiffe, vielleicht sogar Transporter im Weltraum zusammensetzen. Denn um der Schwerkraft der Erde zu entkommen, muss man viel Energie aufwenden. Je größer eine Rakete ist, desto mehr Treibstoff verbraucht sie beim Start. Mit mehreren Raumstationen müssten Raumschiffe oder Raketen also nicht ständig auf Planeten landen und wieder starten, was ökonomischer, sicherer und leichter wäre.

Im schlimmsten, aber momentan wohl realistischsten Fall entwickelt sich das Raumfahrtzeitalter in eine neue Stufe des Imperialismus. Geopolitische und kapitalistische Interessen sind hierbei der Treibstoff. So hatte Lenin definitiv recht, als er den Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus bezeichnete. Ob er sich erträumt hat, dass dieser Imperialismus ins All sprießen wird, bleibt offen. Um die Barbarei nicht mit in die Sterne zu nehmen, muss vielleicht erst auf der Erde der Sozialismus erreicht werden