Mögliches Editorial
Hinter den Kulissen der AStA-Zeitung ist einiges passiert. Nicht nur, aber auch deshalb fragen wir uns: Welche Zukünfte sind möglich?
Die letzte thematische Ausgabe der AStA-Zeitung trug den Titel »Letzte Generation«, ist von 2023 und auch wenn es eine Zeit lang danach aussah, war damit nicht die AStA-Zeitung selbst gemeint. Die Ausgabe befasste sich unter anderem mit der drohenden Klimakatastrophe und der Kriminalisierung von Migration. Nichts davon ist seitdem besser geworden. Die Prognose erscheint sich als hellsichtig erwiesen zu haben. Denn weder hat sich klimapolitisch etwas zum Besseren gewendet, noch wurde Migration entkriminalisiert, wie es damals im Untertitel hieß. Gegenteiliges ist der Fall. Und das ist erschütternd.
Hinter den Kulissen der AStA-Zeitung ist in den letzten eineinhalb Jahres hingegen einiges passiert: Die AStA-Zeitung wurde digitalisiert. Damit beschreitet die Zeitung einen neuen Weg. Weiterhin kann sie abonniert werden – für alle Studierende der Goethe-Universität kostenlos –, aber es gibt auch eine Website auf der alte, wie neue Artikel gelesen werden können – kostenlos für alle. Auch die Redaktion der AStA-Zeitung hat sich in dieser Zeit verändert. Alte sind gegangen, neue Referent*innen sind hinzugekommen. Der langwierige, aber wichtige Prozess der Digitalisierung wurde bereits von den Redaktionen vor uns losgetreten. Ohne David Höhnerbach, der früher AStA-Vorsitzende sowie Referent der AStA-Zeitung war und heute die Redaktion als Mitarbeiter unterstützt, wäre die Digitalisierung nicht gelungen. Ihm wollen wir hiermit herzlich danken.
Was das für die AStA-Zeitung selbst heißt
Die Digitalisierung der AStA-Zeitung bedeutet zum einen, dass die Auflage nicht mehr so hoch sein wird. So können Papier und auch Versandkosten eingespart werden. Zum anderen ergeben sich daraus mehr Möglichkeiten und mehr Sichtbarkeit. Die Studierendenschaft erhält nun ein Medium, in dem dauerhaft Texte zu aktuellen Geschehnissen auf dem Campus, in der Stadt oder der Welt erscheinen können. Die digitale AStA-Zeitung ermöglicht den Studierenden Selbstverständigung und die Artikulation von Kritik in Bezug auf das Studieren an der Goethe-Universität und darüber hinaus. In der aktuellen, angespannten gesellschaftlichen Lage eine Möglichkeit, deren Wert nicht zu niedrig eingeschätzt werden darf.
Darüber hinaus kann die digitalisierte AStA-Zeitung auch ein neues Medium für eine kritische Stadtgesellschaft sein, in dem über ›randständige‹ Themen, wie man in den großen Medienkonzernen gerne sagt, berichtet wird. Generell heißt es ab sofort, dass für Abonnent*innen geworben sowie eine gute Zeitung, die gerne gelesen wird, erstellt werden muss.
Die neue AStA-Zeitung ist also nicht nur ein Angebot an die Studierendenschaft der Goethe-Universität, sondern auch an die Frankfurter Stadtgesellschaft – sowie darüber hinaus. Die Zukunft wird zeigen, ob Teile der Prognose, die auch vor allem eine Hoffnung ausgedrückt, zugetroffen sein wird oder nicht.
Die Ausgabe und das Ausgabenthema
Obwohl die Gesellschaft und die multiple Krise, in der sie sich befindet, eine schier aussichtlose Zukunft bietet, haben wir in unseren Call for Paper für diese Ausgabe nach möglichen Zukünften gefragt. Nicht nur, um auf den Prozess der Digitalisierung hinzuweisen, den die AStA-Zeitung durchgemacht hat, sondern auch, um einen Möglichkeitssinn anzuregen. Denn wir sind uns immer noch sicher – die Beiträge in dieser Ausgabe zeigen dies in aller Widersprüchlichkeit und Vielstimmigkeit auf –, dass es nicht vorgeschrieben ist, in welche Richtung es geht. Auch wenn vieles dagegensprechen mag, ist die Zukunft kontingent, also offen und gestaltbar. Und zwar auch von uns gestaltbar. Denn in den Sprüngen, Rissen und Brüchen ist auch Utopisches verborgen und die Krisengemengelage führt dazu, dass vieles neu in Aushandlung begriffen ist. Und so führt das krisenhaft Bestehende einen Index für eine andere, bessere Zukunft mit sich.
Wir fragten also, auf welche möglichen Zukünfte wir hoffen dürfen und welche wir fürchten müssen. Es ging uns außerdem darum, aufzuzeigen, welche positiven Gegenentwürfe – gegen autoritäre Tendenzen und das krisenhafte Bestehende – existieren und welche möglichen Zukünfte es vermögen, Gegenmacht aufzubauen. Und wir sind sehr froh über die vielen und vor allem vielfältigen Beiträge, die wir erhalten haben und die an dieser Stelle nicht alle erwähnt werden können. Auf drei müssen wir aber besonders hinweisen: Wir sind sehr froh, dass die Autorin, Journalistin und Kolumnistin Özge İnan ein Interview zu der Zukunft der Polizei für die AStA-Zeitung geführt hat, der Autor und Kolumnist Olivier David ein literarisches Essay und der Feuilletonredakteur und sozialistische Science-Fiction-Autor, Dietmar Dath, einen Beitrag beigesteuert hat. Sie rahmen und bereichern die Ausgabe ungemein und verschaffen den anderen Autor*innen – so die Hoffnung – so viel Aufmerksamkeit, wie sie die sehr anregenden Texte verdient haben.
Neben den vielfältigen Auseinandersetzungen mit Utopien und möglichen Zukünften sind wir ebenfalls sehr stolz darauf, dass es auch viele stadtpolitische Einreichungen gab. Ob von der aktuellen Kampagne »leben statt Leerstand«, dem Kurator*innenkollektiv »Leerstand und Utopie« oder zu der gegenwärtigen Hausbesetzungsbewegung.
Forum und Diskussionsort der kritischen Theorie?
Nach den Beiträgen zum Ausgabenthema sind in der Rubrik »Forum« nochmal fast ein Dutzend Beiträge versammelt, die zwar nicht das Ausgabenthema behandeln, aber mitnichten weniger relevant sind. Neben drei Rezensionen zu aktuellen Publikationen der kritischen Theorie Frankfurter Provenienz, sind hier ein Auszug eines Sammelbandes aus dem Institut für Sozialforschung (IfS) zum Theorie-Praxis-Verhältnis sowie eine Vorabankündigung eines Bandes zur feministischen Geschichte des IfS zu finden. Wir wollten so einen Impuls setzen, die AStA-Zeitung auch in Zukunft als einen Ort wahrzunehmen, in der aktuelle Entwicklungen der kritischen Theorie diskutiert und kritisiert werden. Auch der Werkstattbericht des »AK kritische Gesellschaftstheorie« lässt sich in diesem Kontext als ein Versuch verstehen, in Frankfurt weiterhin eine offene kritisch-materialistische Theoriebildung zu ermöglichen.
Darüber hinaus steht das Forum weiterhin allen Texten und Textgattungen offen, die sich nicht in vorgegebene Themen pressen lassen, sondern ohne Angst, anderes thematisieren und verschieden sein können. So, oder so ähnlich würden wir Adornos Forderung nach einem gesellschaftlichen Zustand, in dem man »ohne Angst verschieden sein« kann, – zumindest im Kleinen – in der AStA-Zeitung verstehen. Irgendwo müssen wir ja anfangen.
Damit ist wahrscheinlich bereits zu viel gesagt. Also lest, diskutiert und kritisiert die aktuelle Ausgabe – zum Beispiel bei unserem Ausgaben- und Website-Release mit Olivier David am 13. November um 18 Uhr im Hörsaalzentrum – und abonniert die AStA-Zeitung. Auf eine Zukunft, die besser ist als es ist und jemals war.